EU will Sanktionen verhängen: Instrumentenkasten gegen Erpressung

Die EU will bei Handelskonflikten nicht länger den Launen Chinas oder anderer Mächte ausgesetzt sein. Sie will bei Streit etwa Zölle verhängen können.

Ein Mann trägt eine blauen Schirm mit dem Logo der EU und geht am Gebäude der Europäischen KOmmission entlang

Schwierige Zeiten: Die EU gerät in der Handelspolitik unter Druck Foto: Wiktor Dabkowski/picture alliance

BRÜSSEL taz | Die EU gerät in der Handelspolitik immer öfter unter Druck. Die USA haben Strafzölle gegen Stahl und Aluminium verhängt und versuchen, die Ostseepipeline Nord Stream 2 zu stoppen. Auch China übt Druck aus – zuletzt auf Litauen, gegen das im Streit über Taiwan ein Importverbot verhängt wurde. Doch damit soll nun Schluss sein. Um nicht länger den Launen fremder Mächte ausgeliefert zu sein, will sich die EU-Kommission ein „Anti-Zwangs-Instrument“ zulegen. Es soll vor allem der Abschreckung dienen. Der Entwurf, den Vizepräsident Valdis Dombrovskis am Mittwoch in Brüssel vorlegte, sieht aber auch Gegenwehr vor.

So können bei Erpressungsversuchen aus Drittländern künftig neue Zölle eingeführt und Einfuhren begrenzt werden. Der Instrumentenkasten sieht auch Beschränkungen bei Dienstleistungen, Investitionen sowie dem Zugang zum Binnenmarkt vor. Damit könne sich die EU besser zur Wehr zu setzen, so Dombrovskis.

„In Zeiten zunehmender geopolitischer Spannungen wird der Handel mehr und mehr als Waffe eingesetzt“, sagte der Kommissar. Die EU und ihre Mitgliedstaaten würden zur Zielscheibe wirtschaftlicher Einschüchterung. „Mit diesem Vorschlag senden wir die klare Botschaft, dass die EU ihre Interessen entschlossen verteidigen wird.“

In der Praxis dürfte sich Brüssel aber vor allem gegen Pres­sions­versuche aus Peking oder Moskau zur Wehr setzen. Auf Nachfragen zu den umstrittenen „extraterritorialen Sanktionen“ der USA gegen Nord Stream 2 wich Dombrovskis aus. Auch den Streit über den Handel mit Iran will er ausklammern – das sei schließlich Außenpolitik.

Regulierung mit Tücken

Konkreter wurde es bei Russland und China. Wenn Russland seine Gaslieferungen einschränken sollte, um Druck auf die EU oder ihre Mitglieder auszuüben, wäre das ein möglicher Anwendungsfall, so Dom­brov­skis. Auch den Streit zwischen Litauen und China werde man sich näher ansehen. Litauen hatte im Juli der Bitte Taiwans um Eröffnung einer Vertretung in Vilnius entsprochen. China hat deshalb den Handel mit Litaunen komplett gestoppt.

Der Vorfall zeigt auch die Tücken der geplanten EU-Regulierung. China ist für Litauen ein unbedeutender Handelspartner – es wäre unverhältnismäßig, auf den Importstopp mit harten Maßnahmen zu reagieren. Zudem ist Litauen in der Taiwan-Frage vorgeprescht, ohne sich mit der EU abzustimmen. In Brüssel herrscht deshalb die Sorge, dass einzelne Mitgliedsländer die gesamte EU in einen Konflikt mit China stürzen und dass dies in einen Handelskrieg ausarten könnte. Dombrovskis wies diese Sorge zurück. Man werde jeden Fall sorgfältig prüfen und sich um gütliche Beilegung bemühen.

Kritiker sehen in dem Vorschlag eine Abkehr von der Welthandelsorganisation (WTO), die auch für Streitbeilegung zuständig ist. Für Unruhe sorgt auch, dass die EU-Kommission allein entscheiden will, wann und wie sie zuschlägt. Schweden stellt die erweiterten Kompetenzen für Brüssel bereits infrage.

Das Europaparlament signalisiert dagegen Zustimmung. Der Chef des Handelsausschusses, Bernd Lange (SPD), begrüßte die „Lizenz zur Gegenwehr“. Chinas „erpresserischer Druck gegenüber Litauen“ zeige, wie nötig das neue Instrument sei, sagte der grüne Parlamentarier Reinhard Bütikofer. Einzelne EU-Staaten wie Ungarn dürften kein Vetorecht erhalten.

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