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„Menschen als komplexe Lebewesen“

Eine Filmreihe in Lüneburg zeigt Antikriegsfilme aus der Sowjetunion und der DDR

Lena Radauer38, wurde in Wien geboren. Seit Februar 2021 ist die Slawistin wissenschaftliche Koordinatorin der Gemeinsamen Kommission für die Erforschung der jüngeren Geschichte der deutsch-russischen Beziehungen.

Interview Wilfried Hippen

taz: Frau Radauer, warum kuratieren Sie als Historikerin eine Filmreihe im Kino?

Lena Radauer: Ich bin die Koordinatorin einer bilateralen Historikerkommission, die seit Oktober 2020 hier in Lüneburg verankert ist. Es ist uns wichtig, dass wir uns nicht nur auf unsere wissenschaftliche Arbeit beschränken, sondern auch mit dem Lüneburger Publikum in Dialog treten.

Das Thema sind sozialistische Antikriegsfilme, warum?

Wir begehen in diesem Jahr den 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion. Da entstand die Idee, dazu ein paar Filme zu zeigen, weil ja der Zweite Weltkrieg in russischen Kinofilmen sehr prominent vertreten war.

Nach welchen Kriterien haben Sie die vier Filme ausgesucht?

Wir haben absichtlich keine von den vielen heroisierenden Kriegsfilmen herausgesucht. Stattdessen wollten wir Filme vorstellen, die verschiedene Menschenschicksale beleuchten. Wir zeigen Filme aus vier Jahrzehnten, zwei aus der DDR und zwei aus der Sowjetunion. Dabei geht es um Themen wie Kriegsgefangenschaft, Partisanen, Heimatfront und Emigration.

Gab es noch andere Auswahlkriterien?

Filmreihe „Der Zweite Weltkrieg im Drehbuch. Filme aus der Sowjetunion und der DDR“: bis 7. Dezember, dienstags, 19.30 Uhr, Scala Lüneburg, Apothekenstr. 1,https://www.scala-kino.net

Ja, wir wollten auch die weiblichen Stimmen zu Wort kommen lassen. So wurde der Film „Aufstieg“, der am 30. 11. gezeigt wird, von der sowjetischen Regisseurin Larissa Schepitko inszeniert und in der Defa-Produktion „Das Haus am Fluß“, die am 7. 12. läuft, geht es um die in Kriegszeiten zu Hause gebliebenen Frauen.

Muss man diese Filme hier und heute nicht auch gegen den Strich lesen, weil sie in sozialistischen Staaten produziert wurden?

Natürlich ist das der politische Hintergrund, vor dem sie entstanden sind. Aber es ist nicht so, dass die Deutschen hier immer die Bösen und die Sowjetkämpfer immer die Guten sind. Stattdessen werden die Menschen als sehr komplexe Lebewesen gezeigt. Und alle vier Filme zeichnen solch ein grausames Bild vom Zweiten Weltkrieg, dass man sie als Antikriegsfilme bezeichnen kann.

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