Jan Feddersen zur ersten schwedischen Ministerpräsidentin
: Anderssons kurze Performance

Das mag aus der Ferne kurios scheinen: Erstmals wird im geschlechterdemokratischen Musterland eine Frau, Magdalena Andersson, zur Ministerpräsidentin gewählt. Und nach sieben (!) Stunden tritt sie aus eigenem Vermögen zurück. Der Grund war der Rückzug der Grünen aus der Regierung mit den Sozialdemokraten. Andersson könne mit einer Einparteienregierung nicht wirklich Entscheidungen treffen, so ihre Begründung. Der Streit, an dem sich die politische Krise im Stockholmer Reichstag entzündete, war, dass die von den Rechtspopulisten gestützte Opposition aus Konservativen und Christdemokraten ihren Budgetentwurf gegen die rot-grüne Regierung durchsetzen konnte.

Für Andersson und ihre um die Macht bangenden Sozialdemokraten wäre das kein Grund auf den Verzicht der höchsten Machtposition gewesen – in skandinavischen Ländern sind Minderheitsregierungen nichts Ungewöhnliches.

Aber der Hader in Schweden hat hauptsächlich einen Grund: die immer stärkere Präsenz der Rechtspopulisten, die allzu erfolgreich in den Wählerteichen der linksmittigen Sozialdemokratie zu fischen wissen – gerade im Hinblick auf die Einwanderungsfrage.

Andersson will mit ihrem Rücktritt strategisch erreichen, dass Schweden in vorgezogene Reichstagswahlen geht – und ihre Partei wiederum die stärkste wird, allerdings ohne, wie die dänische Sozialdemokratie, eine Migrationspolitik zu verfolgen.

Die Ministerpräsidentin von sieben Stunden, die sich in ihrem Land als Finanzministerin einen ähnlich sattelfest guten Ruf erarbeitete wie ihr deutscher Kollege Olaf Scholz, darf zugetraut werden, mit den Grünen, den Liberalen und womöglich auch den wieder weniger fundamentalistisch orientierten Linken einen Wahlkampf zu bestreiten und zu gewinnen.

Dass sie die einst opulent großzügigen Einwanderungschancen zumindest ein bisschen zu beschneiden sucht, versteht sich fast von allein: Ohne die verängstigten Ar­bei­te­r*in­nen­schich­ten ist auch in Schweden keine sozialdemokratische Siegesparty zu feiern.

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