das portrait
: Seelenruhiger Brücken­bauer: der neue Co-Parteichef der SPD Lars Klingbeil

Foto: Kay Nietfeld

Als SPD-Generalsekretär hatte Lars Klingbeil, 43 Jahre alt, es in vier Jahren mit acht Parteivorsitzenden (inklusive den kommissarischen) zu tun und wirkte in den Turbulenzen nach Martin Schulz’ und Andrea Nahles’ Abgang unerschütterlich. Diese Ausgeglichenheit ist sein Erfolgsrezept. Jetzt soll er selbst SPD-Chef werden – zusammen mit Saskia Esken, 60 Jahre alt.

Klingbeil gehört zum rechten Seeheimer Kreis. Er ist Sohn eines Berufssoldaten und wuchs in Munster auf, einer Kleinstadt mit 5.000 Soldaten, einer der größten Bundeswehrstandorte Deutschlands. Er ist nach wie vor bekennender Fan von Gerhard Schröder. Vor zwanzig Jahren arbeitete er als Student in dessen Wahlkreisbüro.

Er ist, typisch für SPD-Rechte, Verteidigungspolitiker und hat keine Probleme mit der Bewaffnung der Bundeswehr mit Drohnen. Klingbeil, einst Wehrdienstverweigerer, ist Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik. Aber er hat sich von Beginn an nicht nur auf Verteidigung fixiert, sondern sich einen Namen als Digitalpolitiker gemacht. Das verbindet ihn mit Saskia Esken.

Der Posten des Generalsekretärs war lange ebenso wie SPD-Chef ein Schleudersitz. Die Parteichefs kamen und gingen – Klingbeil blieb. Ihm halfen seine kommunikativen Fähigkeiten und seine politische Flexibilität. Er organisierte 2019 unfallfrei die öffentliche Mitgliederbefragung und 23 Regionalkonferenzen. Anfang 2020 bekundete er in der taz in einem Gespräch mit der Linkspartei-Politikerin Katja Kipping, dass die „Bereitschaft in der SPD für ein Bündnis mit Grünen und Linkspartei noch nie so groß war“. Diese Dehnungsübung nach links war damals auch Ausdruck der Verzweiflung der SPD über ihre Rolle als Merkels Juniorpartner. Aber nicht alle Seeheimer waren da so offen.

Als Generalsekretär galt er als Idealbesetzung. Denn nach innen baute er Brücken. Er ist seit Längerem mit dem Ex-Juso-Chef und jetzigen Parteivize Kevin Kühnert gut befreundet. Klingbeil wirkt besonnen und smart. Die Serie von Niederlagen der SPD bei Landtagswahlen kommentierte er stets seelenruhig. Er neigt nicht zum Cholerischen, sagte dem Spiegel einmal, dass „Draufkloppen“ nicht seine Sache sei, Politik müsse „begeistern, motivieren“.

Jedoch attackierte er auch in der Rolle des Generalsekretärs, griff im Bundestagswahlkampf oft schneidend die Union an. Der gelungene Wahlkampf und die effektive Arbeit des Willy-Brandt-Hauses gelten auch als sein Werk. Allerdings gab es Vorarbeiten – wie die noch von Andrea Nahles in Auftrag gegebene Kritik des Wahlkampfes 2017 „Aus Fehlern lernen.“

So ist Klingbeil zu einer Schlüsselfigur der SPD geworden. Derzeit ist er zentral an den Koalitionsverhandlungen mit FDP und Grünen beteiligt. Der Schritt an die Parteispitze wirkt folgerichtig. Mit Klingbeil (jung und rechter Flügel) und Esken (älter und linker Flügel) verbindet sich nun die Hoffnung, dass dieser Parteispitze beides gelingt – integrativ nach innen zu wirken und nach außen eine hörbare Stimme der SPD zu sein. Stefan Reinecke