„Ich habe mich nur ausgeruht“

E-Mail der vermissten Peng Shuai aufgetaucht. Vermutlich ist es eine Fälschung Chinas

Aus Peking Fabian Kretschmer

Wer die angebliche E-Mail der vermissten Tennisspielerin Peng Shuai durchliest, dem läuft es eiskalt den Rücken herunter. Am Mittwochabend präsentierte Chinas englischsprachiger Propagandasender CGTN das verstörende Textdokument, das seine beabsichtigte Wirkung ganz offensichtlich verfehlt: Niemand wird nach der Lektüre denken, dass sich Peng derzeit in Sicherheit befindet.

„Ich werde weder vermisst, noch befinde ich mich in Gefahr“, heißt es in der E-Mail, die an den Chef des Frauentennisverbands WTA, Steve Simon, gerichtet sein soll: „Ich habe mich nur zu Hause ausgeruht, alles ist in Ordnung“. Weiter steht darin, die Anschuldigungen aus den Nachrichten seien „nicht wahr“.

Am 2. November hat Peng Shuai, die 2013 im Doppel Wimbledon-Siegerin wurde, in einem Onlinepost den ehemaligen Vize-Premier Zhang Gaoli der Vergewaltigung beschuldigt. Seither haben die Zensoren jede Information über den Fall gelöscht.

Mehr noch: Peng Shuai gilt seit über zwei Wochen als vermisst, niemand kann sie kontaktieren. Daran ändert auch die jetzige E-Mail nichts, die gefälscht oder unter Zwang verfasst sein dürfte.

Die Fehler sind nicht schwer zu entdecken, allein die Anrede ist mehr als befremdlich: „Hallo alle zusammen, das ist Peng Shuai“, heißt es in dem Dokument, das angeblich direkt an den WTA-Chef Simon gerichtet sein soll. Hinzu kommt, dass in dem von CGTN geposteten Screenshot merkwürdigerweise in der dritten Zeile ein blinkender Mauszeiger zu sehen ist – ganz so, als ob es sich statt um eine abgesendete E-Mail um ein Word-Dokument handelt.

Der Adressat, Steve Simon, zweifelte die Echtheit der E-Mail umgehend an: „Es fällt mir schwer zu glauben, dass Peng Shuai die E-Mail, die wir erhalten haben, tatsächlich geschrieben hat oder glaubt, was ihr zugeschrieben wird.“ Auch prominente Tennisprofis wie Naomi Osaka und Novak Đoković meldeten sich besorgt zu Wort.

„Chinas Kommunistische Partei kennt keine Scham.“, schreibt etwa der China-Experte Andreas Fulda von der University of Nottingham auf seinem Twitter-Account. Mareike Ohlberg, Forscherin am „German Marshall Fund“ kommentiert, dass „Nachrichten wie diese als Machtdemonstration gedacht sind. Es soll die Menschen nicht überzeugen, sondern einschüchtern und die Macht des Staates demonstrieren.“

Es ist nicht das erste Mal, dass Chinas Staatsführung so unverhohlen auf Mafiamethoden zurückgreift. Auch im Fall des uigurischen Musikers Abdurehim Heyit, der im Jahr 2017 in ein Internierungslager in Xinjiang weggesperrt worden sein soll, publizierte der Propaganda-Apparat zwei Jahre später ein zutiefst verstörendes „Beweisvideo“, in dem Heyit von seinem „guten Gesundheitszustand“ spricht.

Doch dass der Staatsapparat wenige Wochen vor den Olympischen Winterspielen trotz internationaler Kritik seine beste Tennisspielerin verschwinden lässt, stellt einen neuen Tiefpunkt dar. Die Boykottdiskussion dürfte wieder aufflammen.

Doch die Regierung selbst lässt sich auf keine inhaltliche Debatte ein. Als Außenamtssprecher Zhao Lijian bei der Pressekonferenz am Dienstag über den Verbleib von Peng Shuai gefragt wurde, entgegnete er ohne den leisesten Hauch von Mitgefühl: „Meine Antwort ist sehr simpel. Das ist keine diplomatische Frage, und mir ist die Angelegenheit, die Sie erwähnen, nicht bewusst.“