Demonstrationen in Budapest: Ungarn braucht Helden

Zehntausende Orbán-Anhäger jubeln am Samstag dem ungarischen Premier zu. Eine Gegenkundgebung der Opposition fällt deutlich kleiner aus.

Brücke über die Donau voller Menschen

Zehntausende Pro-Orbán-Anhänger:innen auf einer Brücke über die Donau Foto: Zsolt Czegledi/MTI via AP

WIEN taz | Zwei Demonstrationen zeigten am Samstagnachmittag in Budapest, wie gespalten die ungarische Gesellschaft ist. „Freiheit“ und „Nie wieder“ stand auf den Transparenten von Zehntausenden Orbán-Anhägern, die durch die Innenstadt marschierten, während eine weit kleinere Schar den Anführern der Opposition applaudierte. Vordergründiger Anlass für beide Mobilisierungen war der 65. Jahrestag des Aufstandes gegen das kommunistische Regime 1956. Premier Orbán ging es aber auch um ein Signal der Stärke gegenüber der vereinten Opposition und gegenüber der EU.

Vor einer Woche haben sechs Oppositionsparteien gemeinsame Kandidaten für die Wahlen vom kommenden April gewählt. Der konservative Lokalpolitiker Péter Márki-Zay wird den populistischen nationalkonservativen Orbán herausfordern. In den 106 Wahlkreisen wurde der jeweils aussichtsreichste Kandidat oder die Kandidatin der Parteien von links bis ganz rechts bestimmt.

Als stärkste Kräfte kristallisierten sich dabei die sozialdemokratische Demokratische Koalition (DK) und die ehemals rechtsextreme Jobbik, die sich seit einiger Zeit gemäßigt rechts präsentiert, heraus. DK wurde vom ehemaligen Premier Ferenc Gyurcsány gegründet, einem der meistgehassten Politiker des Landes. Seine Frau Klára Dobrev war in der Stichwahl Márki-Zay unterlegen.

In der Regierungspropaganda wird Gyurcsány als sinistrer Strippenzieher hinter der geeinten Opposition dargestellt. „Stop Gyurcsány!“ forderten auch vorfabrizierte Transparente, die an aus allen Teilen der Republik herbeigekarrte Manifestanten verteilt wurden. Zahlreiche dafür angemietete Busse säumten die Andrassy-Straße. Auch Gruppen von Polen und Anhänger des italienischen Rechtspopulisten Matteo Salvini wurden gesichtet.

Jubelplattform für die Fidesz-Partei

Organisiert wurde der „Friedensmarsch“ vom Forum der Bürgereinheit, einer Jubelplattform für die Fidesz-Partei, die Orbán eine Zweidrittelmehrheit im Parlament liefert. Für den Vorsitzenden László Csizmadia sollte auch ein starkes Signal der Souveränität Richtung Brüssel gesandt werden weil die EU Ungarn „ungerecht“ des Demokratieabbaus bezichtige.

In seiner mehr als elfjährigen Herrschaft hat Viktor Orbán den größten Teil der Medien unter seine Kontrolle gebracht, alle staatlichen Institutionen mit bedingungslosen Gefolgsleuten besetzt und die Verfassung auf seine Bedürfnisse zugeschnitten. Die ausufernde Korruption und Vetternwirtschaft haben aber einen wachsenden Teil der Wählerschaft entfremdet. Deswegen rechnet sich die Opposition erstmals seit 2010 Chancen auf einen Wahlsieg aus.

Dass Orbán bei der Abschlusskundgebung selbst auftrat, beweist die Bedeutung, die er dieser Mobilisierung beimisst. Er pries den wirtschaftlichen Fortschritt unter seiner Regierung, ohne allerdings die üppigen EU-Subventionen zu würdigen, und geißelte die vorherigen Regierungen: „Es hat uns Jahre gekostet, die Zerstörung durch die Linke wieder gut zu machen“.

Kleinere Oppositionskundgebung

Während die Pro-Orbán-Demonstration vor allem von Menschen im Pensionsalter getragen war, waren bei der viel kleineren Oppositionskundgebung am Rande des Heldenplatzes viele junge Leute und ein Mix aller Generationen zu sehen. István Hegedüs, Chef der NGO Ungarische Europagesellschaft, glaubt, die Beteiligung sei nicht größer gewesen, weil erst vor knapp einer Woche zur Demonstration aufgerufen wurde. Außer den sozialen Medien hatten die Organisatoren der vereinten Opposition kaum Verteilungskanäle.

Nacheinander traten die Spitzenleute der sechs Oppositionsparteien auf die Tribüne und riefen zur Einheit gegen Orbán auf. Wie Orbán nahm auch Péter Márki-Zay Bezug auf den antistalinistischen Aufstand von 1956. Damals hätten die Ungarn genug gehabt vom russischen Einfluss, „den dummen Führern, Abhörskandalen, Hasskampagnen und staatlicher Propaganda“, und auch „heute haben wir genug“. Damals hätten sich die Helden erhoben, so der künftige Spitzenkandidat: „Auch heute brauchen wir wieder Helden!“

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