Vorfall bei Carsharing-Firma: Deutscher Führerschein reicht nicht
Eine Göttinger Carsharing-Firma lehnt den Mitgliedsantrag von Pranay T. wegen seines Aufenthaltstitels ab. Bis heute steht eine Entschuldigung aus.
Doch von vorn: Im Sommer stellte Pranay T. einen Antrag auf Mitgliedschaft bei der Göttinger Carsharing-Firma „Grünes Auto“. Der wurde, zunächst ohne Begründung, abgelehnt. Pranay T. wollte wissen, warum. Er telefonierte mehrmals mit der Firma, wurde immer wieder vertröstet. Bis er irgendwann den Geschäftsführer Andreas Schmidt erreicht, der ihm sagt, der Antrag sei wegen seines Aufenthaltstitels abgelehnt worden.
Erst als eine Freundin seiner Frau nachhakt, schickt Schmidt dieser eine ausführlichere Begründung per Mail: In der Vergangenheit seien vermehrt Schäden entstanden und Unfälle verursacht worden, in die Kunden mit Aufenthaltstitel involviert waren. Um künftig Schäden und die dadurch entstehenden Kosten für unsere Fahrzeuge so gering wie möglich zu halten, habe sich die Firma dazu entschlossen, diese Gruppe nicht mehr aufzunehmen.
Pranay T. besitzt einen deutschen Führerschein und hat nach eigener Aussage schon häufig ohne Probleme Autos bei Vermietungsfirmen ausgeliehen. Nach Absprache mit seiner Frau beschließt Pranay T., den Fall öffentlich zu machen. „Ich möchte nicht, dass anderen Menschen wie Migrant*innen oder PoC Ähnliches passiert“, sagt er. Er wendet sich an den Integrationsrat Göttingen und an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Berlin. Beide Stellen konfrontieren die Geschäftsführung von „Grünes Auto“ mit dem Vorwurf, dass die Ablehnung der Mitgliedschaft wegen des Aufenthaltstitels gegen das „Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Form einer Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft“ verstößt, fordern eine Stellungnahme und eine Entschuldigung.
Entschuldigung bleibt aus
Persönlich hat sich die Carsharingfirma bei Pranay T. bis heute nicht entschuldigt. In einem Artikel des Göttinger Tageblatts entschuldigt sich Andreas Schmidt für „Unstimmigkeiten“.
Pranay T. wird es dabei belassen. Für eine Klage wäre es ohnehin zu spät. Nur zwei Monate haben Betroffene Zeit, gegen Diskriminierung zu klagen. Von dieser Frist habe er erst im Nachhinein erfahren, sagt Pranay T. So ginge es vielen Betroffenen, sagt auch Niklas Hofmann von der Antidiskriminierungsstelle in Berlin. Und selbst wenn die Frist eingehalten werden könne, sei für viele die finanzielle Hürde zu hoch. Zu Gerichtsverfahren würde es nur kommen, wenn für die Betroffenen viel auf dem Spiel stehen würde, etwa der Arbeitsplatz.
Birgit Sacher vom Integrationsrat Göttingen weiß, dass auch psychologische Hürden wie Scham und auch Angst eine große Rolle spielen: „Manche Menschen ertragen sehr viel, bevor sie sich überhaupt an eine Beratungsstelle wenden.“ Pranay T. ist in Göttingen gut vernetzt: „Ich habe Freunde, die mir helfen, mir sagen, wo ich Hilfe bekomme.“ Er spielt nun mit dem Gedanken, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen.
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