„In jedem Satz steckt ein Joke!“

Im Celler Schlosstheater stellt Ulrich Matthes seine Audio-Kurzfassung von Arno Schmidts legendärem Monumentalbuch „Zettel‘s Traum“ vor

Foto: Soeder/dpa

Ulrich Matthes,

62, Synchron-, Hörspiel- und Audiobuchsprecher, ist Schauspieler, seit 2004 Ensemblemitglied am Deutschen Theater Berlin und Präsident der Deutschen Filmakademie.

Interview Frauke Hamann

taz: Herr Matthes, als Vorleser – gibt es da zunächst eine grundlegende Einschätzung, eine Klärung, wie stehe ich zu dem Text?

Ulrich Matthes: Entscheidend bei Arno Schmidt, aber nicht nur bei ihm, sind viele, viele Wochen der genauen Vorbereitung. Und bei „Zettel’s Traum“ war diese genaue Vorbereitung eine reine Freude!

Wie sah die Vorbereitung fürs Einlesen von „Zettels Traum“ denn genau aus und was hat sich für Sie als das Besondere, als Energie des Buches herausgestellt?

Ich muss irgendwann wissen, was ich mit diesem Text anfangen will. Ich versehe ihn mit einer Fülle von Zeichen, Hinweisen, Betonungen, wie bei einer Partitur. Und wenn diese Vorbereitung gut war, dann kann ich mich dieser Partitur überlassen. Die Aufnahme im Studio dauert dann nicht lange, vier oder fünf Tage.

In „Zettel’s Traum“ wird dauernd geredet und doziert. „Also kwattschn: oh mein armer Kopf“. Das überbordende Text- und Bedeutungsgewebe ist voller Sprachwechsel, vor allem vom Deutschen ins Englische, mitten im Satz, mitten im Wort wie beim „Plisseerock – Pleas’see = Rock weit genug für zwei“ …

Wahrscheinlich wollte ich wegen solcher Texte schon mit vier Jahren lesen lernen! Arno Schmidt ist ein unglaublich witziger Autor, in jedem Satz steckt ein Joke! Man kann sich diesem Schmidt’schen Universum überlassen. Das Spielerische, die Gelehrsamkeit, die erotischen Assoziationen – es ist ein Vergnügen, diese Wörter und Vieldeutigkeiten vorzulesen.

Sie muhen, sie schnäuzen sich, sie krächzen wie ein Vogel und singen. Die Hö­re­r:in­nen wandern also mit Ihnen akustisch-federnd durch die Lüneburger Heide. Wie hat der Regisseur Rauschenbach die Aufnahme mit Ihnen erarbeitet?

Ulrich Matthes liest „Zettel‘s Traum“: Montag 11. 10., 19 Uhr, Schlosstheater Celle, Tickets: ☎051 41-905 08 75

Das Hörbuch „Zettel‘s Traum“ erscheint bei Aufbau Audio, 1 mp3-CD, 363 Minuten, 19,99 Euro

Bernd Rauschenbach als Kenner des Werks war in der Vorbereitung enorm wichtig, weil er meine Fragen beantwortet hat. Bei einem Hörbuch ist das Gute – man ist sein eigener Herr. Man liefert die Interpretation selbst. Sie entsteht aus dem Vertrautsein mit jeder Nuance des Textes.

Im Booklet heißt es, das Hörbuch wolle zum Einstieg in „Zettel’s Traum“ verleiten, weil Arno Schmidts Sprache in Deutschland einzig sei.

„Zettel’s Traum“ ist nicht ganz leichte Kost. Rauschenbachs handliche Fassung versammelt ein „Best of“. Meine Lesung daraus dauert gut sieben Stunden. Vielleicht gehen neugierige Leser:innen, die sich an das ganze Werk bislang nicht herangetraut haben, danach weiter hinein in dieses Text-Riesengebirge.