: 1.000 Jahre Tanzwut – die Geschichte
Vor genau 1.000 Jahren, im Jahr 1021, wurde erstmals ein Phänomen erwähnt, dem der Medizinhistoriker Justus Hecker 1832 den Namen „Tanzwut“ gab. Im sachsen-anhaltinischen Kölbigk, einem Stadtteil der Gemeinde Ilberstedt im Salzlandkreis, soll beim „Tanzwunder zu Cölbigk“ ein Priester eine Gruppe Jugendlicher zur Strafe für „frevlerisches“ Verhalten zum Tanzen verflucht haben.
Von zwanghaftem Gruppentanzen an verschiedenen Orten Europas berichten auch Quellen aus dem 14. bis 17. Jahrhundert, der berühmteste Fall ereignete sich angeblich 1518 in Straßburg: Dort half erst der heilige Veit oder Vitus den Tanzenden. Diese mussten zur Linderung in roten, mit Weihwasser besprengten Schuhen den Altar umrunden. Paracelsus brachte die „Krankheit“ im 16. Jahrhundert mit „Unzüchtigkeit“ in Verbindung und hielt sie für ansteckend.
Mit der auch als „Veitstanz“ bezeichneten Krankheit Chorea Huntington hat das mittelalterliche Phänomen vermutlich nichts zu tun. Erklärungsversuche für die Tanzwut reichen von religiöser oder drogeninduzierter Ekstase bis hin zu Vergiftungen durch Insekten oder Pilze.
Im Zusammenhang mit der muslimischen Ordensgemeinschaft der tanzenden Sufis/Derwische wird zuweilen ebenfalls fälschlicherweise von Tanzwut gesprochen. Das Gleiche gilt für den italienischen Volkstanz „Tarantella“, der angeblich die Auswirkungen eines Spinnenbisses lindern sollte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen