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Graben nach Verborgenen

Auf dem „Russenfriedhof“ in Oslebshausen sucht die Landesarchäologin nach sterblichen Überresten von Kriegsgefangenen. Bisher wurden nur einzelne Knochen entdeckt

Von Pia Tönnissen

Baggern, schaufeln, sieben: Die Grabungen auf der Reitbrake, dem sogenannten „Russen­friedhof“ in Bremen-Oslebshausen, sind in vollem Gange. Beginnend bei Kriegsschutt, geht es weiter durch Sand. Schicht für Schicht nähert sich das Team der Bremer Landesarchäologin Uta Halle den Gräbern der Kriegsgefangenen – wenn dort denn welche vorhanden sind.

Seit Anfang August wird die Reitbrake untersucht. Auf dem Gelände des ehemaligen Kriegsgräberfriedhofs werden noch die sterblichen Überreste sowjetischer Kriegsgefangener von 1941 bis 1945 vermutet. Mehrere Leichname wurden dort 1948, kurz nach dem zweiten Weltkrieg, exhumiert und auf dem Osterholzer Friedhof begraben. Quellen zufolge sind bei der Aktion aber bei Weitem nicht alle Toten umgebettet worden: 1946 dokumentierte ein Polizist 742 Gräber, exhumiert wurden 1948 aber nur 446.

Doch ob auf der Reitbrake tatsächlich noch Menschen begraben liegen, steht bisher nicht fest: Drei von vier Ausgrabungsfelder wurden während der Grabungsarbeiten des letzten Monats schon untersucht, davon noch nicht alle intensiv. Gefunden wurden aber bisher nur einzelne Knochen. Entdeckt wurden auch ein Anhänger in Form eines orthodoxen Kreuzes und elf Erkennungsmarken, die Kriegsgefangene um den Hals trugen. Erst nach der Restaurierung dieser Marken können die darauf eingestanzten Ziffern sichtbar gemacht und die Toten identifiziert werden.

Die Bürgerinitiative Oslebshausen und das Bremer Friedensforum vermuten, dass die Toten noch auf der Reitbrake liegen. „Eine andere Erklärung ist für uns eigentlich nicht ersichtlich“, sagt Dieter Winge, Sprecher der Bürgerinitiative.

Natürlich sei es möglich, sagt Winge, dass die sterblichen Überreste nach knapp 80 Jahren schon komplett verwest seien. Bisher waren die Bürgerinitiative und Uta Halle aber davon ausgegangen, dass sie wegen des im Kriegsschutt enthaltenen Kalks noch recht gut erhalten sein sollten.

Trotzdem gehen die archäologischen Untersuchungen weiter: „Niemand soll verborgen bleiben“, fordert Tetiana Pastushenko. Die ukrainische Dozentin der Geschichte hat gemeinsam mit Studierenden aus Kiew und Bremen zwei Wochen lang den Sand nach Spuren und Funden durchsucht. Claudia Sharapova, eine der ukrainischen Studierenden, beschreibt die Atmosphäre während der Grabung als „respektvoll und ehrwürdig“.

„Die Beteiligung von jungen Menschen an so einer Aktion ist ein wichtiger Schritt“, sagt Pastushenko. Es sei notwendig, die Erinnerung an sowjetische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene am Leben zu erhalten. Im Bremer Volksmund wird die Fläche an der Reitbrake oft als „Russenfriedhof“ bezeichnet. Dass unter den sowjetischen Zwangsarbeitern aber nicht nur Menschen russischer, sondern auch ukrainischer und anderer Herkunft waren, werde dabei oft verdrängt.

Wie lange die Grabungen jetzt noch andauern werden, steht noch nicht fest: „Es dauert so lange, wie es dauert“, erklärt die Landesarchäologin. Nach den Ausgrabungsarbeiten folgt die Auswertungsphase, erst dann soll darüber diskutiert werden, wie weiter vorgegangen wird.

Das Bremer Friedensforum und die Bürgerinitiative plädieren dafür, dem nach ihrer Meinung historisch bedeutsamen Ort durch eine Gedenkstätte gerecht zu werden. Damit grenzen sie sich deutlich von den Plänen des Senats ab. Dieser plant, dort eine Bahnwerkstatt zu bauen; mögliche verbleibende Leichname sollen umgebettet werden.

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