Prozess nach „Teufelsaustreibung“: Haftstrafe für Ehemann

Mit Salzwasser sollte die Kinderlosigkeit einer 22-Jährigen „behandelt“ werden. Die Frau starb. Ihr Mann und die Schwiegermutter wurden verurteilt.

eine Statue von Justizia

Und wieder wurde Recht gesprochen: Statue von Justiza Foto: dpa

BERLIN dpa | Sie musste eine Woche lang täglich Salzwasser trinken – bis sie starb. Ihr Ehemann, seine Eltern und ein angeblicher „Heiler“ sind fast sechs Jahre später verurteilt worden. Gegen den Ehemann verhängte das Berliner Landgericht am Montag drei Jahre und acht Monate Gefängnis.

Der 36-Jährige und seine Eltern wurden der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gesprochen. Der Vorwurf einer „Teufelsaustreibung“ habe sich leider bestätigt, sagte die Vorsitzende Richterin. Wegen Kinderlosigkeit sei der Frau auf Rat eines angeblichen Heilers eine Woche lang Salzwasser verabreicht worden.

Die 57-jährige Angeklagte soll für zwei Jahre und acht Monate ins Gefängnis. Ihr 59-jähriger Mann erhielt zwei Jahre Haft auf Bewährung. Im Fall des 50-jährigen angeblichen Heilers, des Hodschas, entschied das Gericht auf fahrlässige Tötung und verhängte eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Zudem wurde ihm die Zahlung von 1.500 Euro auferlegt. Er habe die „Kur“ zur „Reinigung“ und gegen „böse Geister“ über eine Woche hinweg empfohlen und an den ersten beiden Tagen teilweise durch Lesungen aus dem Koran begleitet.

Die drei aus dem Libanon stammenden Familienmitglieder hätten im November 2015 beschlossen, die 22-Jährige wegen Kinderlosigkeit der Behandlung zu unterziehen, so das Gericht. Bis zu ihrem Tod am 7. Dezember 2015 seien ihr in einer Wohnung in Berlin-Tempelhof täglich eineinhalb Liter Salzwasser verabreicht worden. Die ebenfalls aus dem Libanon stammende Frau habe sich dem Willen der Familie gebeugt – „wohl auch aus Liebe zu ihrem Ehemann“.

Bereits nach dem ersten Tag sei die junge Frau erheblich geschwächt gewesen, sagte die Richterin. Ihr Ehemann und ihre Schwiegereltern hätten erkannt, dass es ihr von Tag zu Tag schlechter ging: „Sie hörten aber nicht auf.“

Die anfängliche Einwilligung der 22-Jährigen, bei der Salzwasserkur mitzumachen, habe es bereits am zweiten Tag nicht mehr gegeben. Sie habe zu diesem Zeitpunkt kaum noch laufen können und die Verwandten teilweise nicht mehr erkannt. Am 7. Dezember 2015 sei die 22-Jährige nicht mehr ansprechbar gewesen. Die Familie habe den Notarzt geholt. Die mit Salzwasser vergiftete Frau verstarb wenig später in einem Krankenhaus.

Ein minder schwerer Fall, sagt das Gericht

Die Vorsitzende Richterin sagte, durch das Urteil würden weder religiöse Einstellungen noch ein besonderes Frauenbild bestraft. Maßgebend sei gewesen, dass man mit der „Behandlung“ nicht aufgehört habe, obwohl sich der Gesundheitszustand der Frau im Verlauf der Behandlung von Tag zu Tag erkennbar verschlechtert habe. Insbesondere wegen der Geständnisse der Angeklagten sei das Gericht von einer Körperverletzung mit Todesfolge in einem – juristisch – minder schweren Fall ausgegangen.

Nach achtmonatiger Beweisaufnahme hatte die Staatsanwaltschaft gegen die drei Familienmitglieder auf Gefängnisstrafen zwischen zweieinhalb und fünf Jahren plädiert. Die Verteidiger forderten Bewährungsstrafen beziehungsweise Freispruch für den Hodscha. Die Angeklagten – die drei Männer mit deutscher Staatsbürgerschaft, die der 57-jährigen Frau ist nach ihren Angaben ungeklärt – befanden sich nicht in Untersuchungshaft und bleiben zunächst weiter frei. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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