heute in hamburg
: „Die Regierung ist Teil des EU-Prozesses“
Interview Tjade Brinkmann
taz: Warum ist das Thema Europa im Bundestagswahlkampf relevant?
Sina Wickemeyer: Bei einer eigentlich nationalen Wahl sollten wir auch daran denken, dass die Wahl nicht nur Auswirkungen auf das Nationale hat, sondern darüber hinausgeht. Denn wie wir in Deutschland entscheiden, hat auch Auswirkungen auf Europa und das wiederum auch auf uns. Wir versuchen das mit unserem Slogan #europamitgedacht zu verdeutlichen.
Wieso ist für Europa wichtig, wer in Deutschland die Regierung stellt?
Die Bundeskanzlerin sitzt im Europäischen Rat und die Minister im Rat der Europäischen Union. Damit ist die Regierung Teil des europäischen Gesetzgebungsprozesses und bestimmt mit, in welche Richtung sich die EU entwickelt.
Und umgekehrt: Wie wirkt sich die europäische Politik auf Deutschland aus?
Die europäische Gesetzgebung wird immer auch zu nationalem Recht, in zwei verschiedenen Formen. Entweder als EU-Verordnungen, die direkt – also wie deutsche Gesetze – wirken. Oder als EU-Richtlinie, die noch in nationale Gesetze umgesetzt werden müssen. Das heißt: Was auf europäischer Ebene entschieden wird, betrifft immer auch die nationale Ebene.
Gibt es konkrete Themen, die für Europa besonders entscheidend sind?
Da kann man bei A anfangen und bei Z aufhören. Generell gibt es wenig nationale Probleme, die nicht auch europaweit eine Rolle spielen. Die Pandemie ist kein nationales Problem, bei Migration sind europäische Ansätze gefragt und auch die Klimakrise kann nicht von einem einzelnen Staat gelöst werden.
Beispiel Klimaschutz: Wieso ist es wichtig, den europäisch zu koordinieren?
Der Klimawandel lässt sich nicht alleine dadurch lösen, wenn Deutschland klimaneutral wird, aber der Rest der Europäischen Union nicht. Was in einem Land beim Klimaschutz passiert, wirkt sich immer auf die anderen Staaten aus. Außerdem machen auch Klima und Wetter nicht an nationalen Grenzen halt.
Zurück zum Bundestagswahlkampf: Wie positionieren sich die Parteien zur EU?
Sina Wickemeyer
30, arbeitet bei der Europa-Union Hamburg. Die größte Errungenschaft der EU ist für sie die Friedens-sicherung.
Das wollen wir morgen herausfinden.
Aber gibt es nicht schon im Vorhinein Extreme, die sich abzeichnen?
Klar. Ein Extrem sind Parteien, die die Europäische Union in der jetzigen Form ablehnen und befürworten, dass Deutschland aus der Gemeinschaft austritt. Ein klares Extrem in die andere Richtung gibt es nicht unbedingt, denn für die meisten Parteien steht die Zugehörigkeit zur EU nicht zur Debatte. Vielmehr fordern sie mehr Europa als das, was wir momentan haben.
Und wie könnte „mehr Europa“ aussehen?
Ganz konkrete Forderungen sind zum Beispiel, die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu verstärken, dass also mehr Souveränität von den Mitgliedsstaaten an die europäische Ebene abgetreten wird. Das Gleiche gilt für den Gesundheits- oder generell den Sozialbereich. Auch hier könnten die Mitgliedsstaaten mehr Kompetenzen auf die EU übertragen.