: Fahrräder für alle Fälle
Beim Projekt Pedder des ADFC Bremen können Menschen mit Beeinträchtigungen und ältere Mitbürger*innen kostenlos Spezialräder ausleihen – ein Angebot, das ausgesprochen gut ankommt
Der taz Panter Preis ist ein Preis für zivilgesellschaftliches Engagement, der seit 2005 von der taz Panter Stiftung vergeben wird. Zum zweiten Mal werden zwei Preise zum Thema Klimaschutz vergeben – dieses Jahr für den Bereich Nachhaltige Mobilität. Beide Preise sind mit je 5.000 Euro dotiert.
Über 100 Bewerbungen von Personen und Projekten haben uns erreicht. In den nächsten Wochen stellen wir Ihnen die sechs Nominierten an dieser Stelle vor. Die zwei taz Panter Preise – ein Publikumspreis und ein Jurypreis – werden unter ihnen ausgewählt.
Unser Publikumsvoting findet vom 18. September bis zum17. Oktober statt, und bekannt gegeben werden die zwei Preisträger schließlich am 13. November. Mehr Infos unter: www.taz.de/panter
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Von Nicole Opitz
Bremen wäre ohne Radwege wohl eine andere Stadt. Viele Ausflugsziele wie das ländliche Viertel Blockland am Deich sind nur mit dem Rad oder dem Auto gut zu erreichen und darum für Menschen mit Beeinträchtigungen und ältere Mitbürger*innen, die Lust haben Fahrrad zu fahren, nur schwer zu erkunden. Das Projekt Pedder des ADFC Bremen hat das Problem erkannt und stellt deshalb kostenlos fünf Spezialräder zur Verfügung: Paralleltandems, Doppelsitzer und sogenannte Rollfiets – also Fahrrad-Rollstuhl-Kombinationen – können für Tagesausflüge, Wochenendtrips oder längere Reha-Aufenthalte ausgeliehen werden.
So können Menschen mit Beeinträchtigungen zum Bespiel im Duorad „Pedder Fun2Go“ nebeneinander oder im Rollstuhltransportrad „Pedder VeloPlus“ hintereinander sitzen – inmitten des Bremer Verkehrs. Auf dem „Pedder Chat“ wiederum fährt eine Person elektrounterstützt Fahrrad, während zwei weitere Personen vorne in einer offenen Kabine Platz nehmen und in einer Art norddeutscher Rikscha in Ruhe schnacken können.
Das Angebot kommt laut Pina Pohl, Pressesprecherin des ADFC Bremen, sehr gut an. „Es ist ein Herzensprojekt von uns“, sagt sie der taz. Die Zielgruppe sind Menschen, deren Mobilität eingeschränkt ist – und die während der Coronazeit zum Teil als „Risikopatient*innen“ gelten. „Umso schöner ist es, dass unser Angebot trotzdem viel genutzt wird“, sagt Pohl. Weil Fahrradfahren während der Pandemie immer erlaubt blieb, ist Pedder eine der wenigen Freizeitaktivitäten, die von Bremer*innen beständig nachgefragt wird. Erholung „von der ganzen Misere“, nennt Pohl das.
Da das Pedder-Projekt erst im September 2019 und damit kurz vor der Pandemie startete, stellte es den ADFC trotzdem vor Herausforderungen: „Eine Zeit lang war es nicht erlaubt, sich zu dritt zusammenzufinden.“ Deshalb konnte etwa das Rikscha-Spezialrad Pedder Chat zeitweilig gar nicht genutzt werden. Aus diesem Grund und wegen pandemiebedingter Mehrkosten hat der ADFC Bremen inzwischen eine Verlängerung seines Projekts beantragt. Denn das Vorhaben wird vom Bundesumweltministerium nur bis Ende August gefördert. Doch auch bei einer Verlängerung wird es keine weitere finanzielle Unterstützung vom Ministerium mehr geben.
Klimaschutz und soziale Teilhabe
Zwar fließen auch Eigenmittel und Spenden in das Projekt, ohne die Mittel vom Umweltministerium wird es aber nicht leicht sein, das Projekt am Leben zu halten – die Kosten für die Spezialräder sind schließlich hoch: „Sie sind sehr wartungsintensiv. Mal ist eine kleine Schramme drin, mal reißt eine Lehne ab, so was passiert immer wieder“, erklärt Pohl. Dennoch will der ADFC die Räder weiter ohne Gebühren und Kaution kostenlos zur Verfügung stellen. „Gerade dadurch senken wir die soziale Hemmschwelle“, sagt Pohl.
Und soziale Teilhabe hat bei dem Pedder-Projekt einen ähnlich hohen Stellenwert wie der Aspekt der klimagerechten Mobilität. Unlängst etwa bekam Pohl eine Anfrage von einer Schulklasse, die auf Klassenfahrt eine Fahrradtour machen wollte. Wegen zweier schwerbeeinträchtigter Kinder in der Klasse liehen sie sich Spezialräder aus. „Toll“, sagt Pohl. „So soll es sein, dafür haben wir Pedder gegründet. Das ist der Teilhabecharakter, den wir uns für die ganze Gesellschaft wünschen.“
Bremer*innen und Tourist*innen können die Räder je nach Bedarf an wechselnden Orten abholen. So soll Menschen mit Beeinträchtigungen flexibel begegnet werden – oft haben sie Schwierigkeiten, weite Wege zurückzulegen. „Zu diesem Aspekt bekommen wir viel gutes Feedback“, sagt Pohl. Vor allem mit dem Bremer Martinsclub, einem Verein für Menschen mit Beeinträchtigungen, gibt es eine enge Kooperation. Als der Sommer kam, wurde das Pedder-Angebot ohnehin stärker nachgefragt: „Mit steigenden Temperaturen und niedrigen Inzidenzen steigt die Lust am Fahrradfahren.“
Und wo sehen Pohl und ihre Kolleg*innen noch Verbesserungsbedarf? „Wir würden uns wünschen, dass noch mehr Interesse von Verleihstationen kommt“, sagt Pohl. Durch die Pandemie hätten öffentliche Einrichtungen wie Cafés, Kirchen oder Jugendzentren keine Möglichkeit gehabt, die Verleih-Infrastruktur gemeinsam mit Pedder auszubauen.
Die Gründe, warum sich Menschen ein Rad ausleihen, seien dabei so divers wie die Menschen selbst: „Letztens war jemand hier, dessen Frau sich beide Arme gebrochen hatte“, erzählt Pohl. Egal wer kommt, eines sei allen gemein: „Die Freude darüber, wieder auf einem Fahrrad zu sitzen, teilzuhaben an einer Aktivität, die ihnen sonst unzugänglich bleibt, die merken wir jedem unserer Kund*innen an, und das ist wirklich unbezahlbar“, sagt Pohl.
Infos zum Pedder-Projekt im Netz: pedder-spezialrad.de
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