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7. weil Existenzängste und ausbeuterische Arbeit unmenschlich sind

Hartz IV, Obdachlosigkeit und aufgeweichter Arbeitsschutz zeigen, dass der deutsche Sozialstaat an den grundlegendsten Problemen scheitert. Dies ist kein Versehen, sondern politischer Wille. Die verbreitete Angst vor dem sozialen Abstieg suggeriert, dass tatsächliche Absicherung nur durch Eigenverantwortung und die Bereitschaft zu jeder Art von Lohnarbeit geschieht. Wir lehnen diese neoliberale, kapitalistische Leistungslogik ab und fordern eine menschenwürdige Absicherung für alle – im Beruf und ohne.

Arbeit ist nicht nur Fabrik

Fabrikarbeiter und organisierter Arbeitskampf – das ist die alte marxistische Erzählung. Wie passt das zu heute? Ob alleine auf dem Fahrrad, im Homeoffice, in der Pflege oder outgesourct – Ar­bei­te­r*in­nen­in­ter­es­sen sind partikularisiert. Dabei fällt nicht nur der soziale Aspekt häufig weg, sondern auch die Möglichkeit, kollektiv eigene Rechte zu vertreten.

Arbeitsschutz – überall!

Die Pandemie zeigt: zu arbeiten, wo wir leben, fällt vielen nicht leicht. In der Al­ten­pfle­ge­ gehört das zum Berufsalltag. Pfleger*innen, viele aus Osteuropa, teilen sich den Wohnraum, oft auch nur das Zimmer mit der zu pflegenden Person. Zudem liegt der Verdienst in der 24-Stunden-Pflege bei 1.500 bis 1.700 Euro im Monat, das macht 2,08 Euro pro Stunde. Staat und Familien wälzen damit das Problem bezahlbarer Pflege auf ausländische Ar­bei­tskräfte ab. Alle, die in Deutschland oder für deutsche Unternehmen arbeiten, sollten Anspruch auf einen gesetzlich festgelegten Mindestlohn und gesicherte Grundrechte haben.

Leiharbeit, Werkverträge und Scheinselbständigkeit ermöglichen solche Missstände in vielen Branchen. Mangelnder Kündigungsschutz sorgt dafür, dass Menschen ohne Krankengeld und Abfindungen entlassen werden können. In der Fleischindustrie hat die Regierung bereits ein Verbot der Leiharbeit gefordert – wir fordern das für alle Branchen!

Arbeiten ohne Passkontrolle

Auf dem Arbeitsmarkt wird unterschieden in: deutsch, europäisch und nicht-europäisch. Das zwingt Geflüchtete häufig in illegale Beschäftigungsverhältnisse. Ihnen fehlen damit Mittel, um sich gegen Billiglöhne, gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen und unbegründete Kündigungen zu wehren. Die Politik sollte für institutionelle Unterstützung sorgen, solange keine Gleichbehandlung auf dem Arbeitsmarkt herrscht. Beratung muss digital zugänglich sein, denn Digitalität kann Ar­bei­te­r*in­nen­in­ter­es­sen einen, wie der Streik beim Berliner Lieferunternehmen Gorillas zeigt. Damit können wir zumindest anfangen, sofort, jederzeit und überall, vom Laptop oder Handy unterwegs – (globale) Arbeitskämpfe zu vereinen.

Care-Work is Work!

Jenseits der Erwerbsarbeit sieht es nicht besser aus: Care-Tätigkeiten, ganz besonders wenn sie innerfamiliär organisiert werden, gelten oft nicht als Arbeit. Das zieht fehlende Entlohnung und Anerkennung nach sich. Die Doppelbelastung von gleichzeitiger Erwerbs- und häuslicher Arbeit trifft dabei noch immer verstärkt Frauen. Ist es nicht an der Zeit, die Grenze zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit aufzuheben?

Schluss mit Stigmatisierung

Auch Lohnarbeitslose haben das Recht auf ein Leben ohne Existenzängste und Stigmatisierung. HartzIV sollte deshalb durch eine unbürokratische, sanktionsfreie Grundsicherung in Höhe von mindestens 1.200 Euro ersetzt werden, das unabhängig vom Aufenthaltsstatus garantiert wird. Damit würde nicht nur eine Absicherung für Menschen in der Lohnarbeit und in unbezahlten Care-Tätigkeiten garantiert, sondern auch ein Anreiz für besseren Arbeitsschutz entstehen. Wenn Menschen nicht darauf angewiesen sind, für die Sicherung ihrer Grundbedürfnisse schlechte Arbeitsbedingungen zu tolerieren, muss der Arbeitsmarkt bessere Bedingungen bieten. Auch gesellschaftliche Partizipation hängt stark von Status und finanzieller Absicherung ab. Eine Demokratie ohne sanktionsfreie Grundsicherung ist keine!

Ursachen bekämpfen

Kurzfristig lassen sich die Forderungen durch eine angehobene Erbschafts- und Vermögenssteuer umsetzen. Langfristig ist klar, dass wir ein gemeinwohlorientiertes Wirtschaftssystem benötigen, in dem Schlüsselindustrien und systemrelevante Bereiche vergesellschaftet sind. Das ermöglicht eine wirklich demokratische Mitbestimmung in Arbeit und Wirtschaft sowie die faire Verteilung von Gewinnen – damit ein würdiges Leben mit oder ohne Arbeit für alle Wirklichkeit wird.

Samia Mohammed, Carlotta* Sturm, Philipp Mayer

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