Kommentar von Simone Schmollack zu Meldeplattformen für Steu­er­betrug
: Denunzieren für den guten Zweck?

Wer schon einmal aus heiterem Himmel eine Steuerprüfung hatte und sich dabei vom Finanzamt behandelt fühlte wie Uli Hoeneß im Kleinformat, der wird angesichts des Grünen-Vorschlags einer Meldeplattform für Steu­er­sün­de­r:in­nen wohl laut aufschreien: Stasimethoden! Denunziantentum! Blockwartmentalität!

Ja, so kann man das sehen. Solche Vorwürfe durfte sich Baden-Württembergs grüner Finanzminister Danyal Bayaz, der ein solches Portal für sein Bundesland vorstellte, bereits anhören. Dass die Kritik an Bayaz’ Vorschlag vielfach mit rassistischen Ressentiments gegen seine Person unterlegt wurde, ist natürlich überzogen und komplett unzulässig. Unangebracht ist auch das Vokabular aus dem Sprachschatz von Diktaturen.

Man muss dem Grünen erst einmal zugutehalten, dass ihm die verloren gegangenen Einnahmen am Herzen liegen. Der Staat wird durch Steuerkriminalität um bis zu 100 Milliarden Euro jährlich geprellt. Ebenso darf man davon ausgehen, dass dem Minister weder eine Steuer­stasi vorschwebt, noch dass er dazu animieren möchte, Nachbarn zu verpetzen.

Ganz von der Hand zu weisen ist die Kritik trotzdem nicht. Auch nicht, wenn sowohl die Grünen als auch das baden-württembergische Finanzministerium versichern, dass es gar nicht um die Nachbarn und ihre illegal beschäftigte Haushaltshilfe gehe (solche Hinweise würden erst gar nicht weiter verfolgt), sondern um „die ganz großen Fische“: um Unternehmen, Banken, Anlageberater:innen, um Finanzskandale wie Cum-Ex. Solche Schweinereien gehören natürlich dringend aufgeklärt und die Be­trei­be­r:in­nen hart bestraft. Aber anonyme Meldungen waren auch bislang schon möglich. Nur konnten die Finanzämter mit den anonym Anzeigenden nicht weiter kommunizieren – was durch dieses Portal nun möglich sein soll. Dadurch gewännen die Er­mitt­le­r:in­nen von Beginn an mehr Anhaltspunkte, um einem Verdacht gezielter nachgehen zu können.

Schon möglich, dass eine solche weiterführende Kommunikation hilfreich ist. Doch bevor es dazu kommt, sollten die ersten Angaben bereits „schlüssig formuliert sein, wahre Angaben und konkrete Informationen enthalten“. So jedenfalls formuliert es das Finanzministerium Baden-Württemberg auf Twitter. Wer aber kommt an solche Informationen in Unternehmen, Banken, Fi­nanz­in­sti­tu­te heran? Wohl nur Personen, die selbst in den Unternehmen arbeiten und Zugang zu besonderen Informationen haben. Erinnert sei an dieser Stelle an die zahlreichen Steuer-CDs, deren Daten sich Whistle­blower über zum Teil dubiose Wege verschafft hatten. Ist kriminelles Handeln zum Aufklären von Kriminalität erstrebenswert?

Noch ein Wort zu den „kleinen Fischen“: Auch Hinweise zu ihnen werden verfolgt – trotz gegenteiliger Beteuerungen. Bereits bei kleinsten, auch unbewussten Vergehen verhängen Finanzämter drakonische Strafen. Da wären wir wieder beim Verpfeifen.

Zum Thema