: Machtkampf um mehr Transparenz
In der Bezirksversammlung Altona streiten sich Grüne, CDU und SPD über Bauanträge und Datenschutz. Alle Beteiligten sagen, es ginge um Macht

Von Lisa Bullerdiek
„Tollstück“, „Kindergartenkram“, „ein absoluter Sturm im Wasserglas“: CDU und Grüne haben sich in der Bezirksversammlung Altona mit der SPD verkracht. Und alle drei finden dafür deutliche Worte.
Eigentlich ging es in dem Streit mal um einen Aldi. Jetzt wirft die SPD den Grünen und der CDU im Bezirk vor, sie würden im Geheimen Bauanträge durchwinken wollen und hätten deshalb die Geschäftsordnung der Bezirksversammlung geändert. Darin steht jetzt zusätzlich, dass Gegenstände nur in der Öffentlichkeit behandelt werden, wenn sie auch vorher öffentlich waren. Die Grünen und die CDU in Altona sagen dagegen, dass die SPD für ihren Wahlkampf bisher nie genutzte Regelungen herauskrame. Sowieso sei der geänderte Paragraph datenschutzrechtlich bedenklich gewesen, weil so per Minderheitenvotum sensible Informationen öffentlich diskutiert werden konnten.
Der Streitauslöser war ein Bauprojekt in Blankenese: Der ortsansässige Unternehmer Oliver Quint möchte einen Aldi in das Wohngebiet an der Auguste-Baur-Straße bauen. Er plant ein Haus mit Wohnungen oben und dem Aldi im Keller. Einige Anwohner*innen beschweren sich über die Pläne, engagieren sogar einen Anwalt. Die SPD stellt sich auf die Seite der Bewohner*innen und fordert eine öffentliche Verhandlung zum Aldi-Bauantrag. Das lehnen Grüne und CDU in Altona aber ab und ändern die Geschäftsordnung des Bezirks. Zuvor reichte auch eine Minderheit, um eine öffentliche Sitzung zu beantragen. Das geht nun nicht mehr.
Eigentlich ist es ein erklärtes Ziel der Stadt Hamburg, Bürger*innen mitentscheiden zu lassen, wie und wo gebaut wird. „Stadtentwicklung in Hamburg ist auch immer ein Stück gelebte Demokratie“, schreibt zum Beispiel Jutta Blankau (SPD), ehemalige Bausenatorin der Stadt, in einer Broschüre zu dem Thema. Meistens können Hamburger*innen sich einbringen, wenn der Bezirk ein ganzes Gebiet neu plant, so wie im Fall des Holsten-Areals, das vom Industrie- zum Wohngebiet werden soll.
Im Falle des Blankeneser Aldi-Neubaus beschloss die Bezirksversammlung in Altona bereits 1992 den Bebauungsplan – „ohne Protest“, sagt Gesche Boehlich von den Grünen in Altona. Bei einzelnen Bauanträgen sei das Vorgehen anders als beim Bebauungsplan, sagt Boehlich: „Ich bin fast 28 Jahre dabei und habe noch nie erlebt, dass ein Bauantrag öffentlich verhandelt wird. Auch nicht in der Zeit der SPD.“
Jutta Blankau, SPD, ehemalige Bausenatorin
Das Vorgehen sei undemokratisch und intransparent, schreibt dagegen Gregor Werner von der SPD Altona in einer Pressemitteilung. Gegenüber der taz sagt er, mit der neuen Geschäftsordnung würden auch freiwillige Informationsveranstaltungen der Baufirmen verkompliziert: „Das wird jetzt vollumfänglich eingeschränkt.“ Er wirft CDU und Grünen vor, ihren Willen durchsetzen zu wollen: „Das hat sehr viel mit Macht zu tun.“
Auch Grüne und SPD sprechen von Macht: Der aktuelle Wahlkampf im umkämpften Altona sei ein Motiv für den Streit. Bei der Änderung sei es lediglich um besseren Datenschutz gegangen.
Wer hat jetzt Recht – wird mit der neuen Geschäftsordnung wirklich die Teilhabe von Bürger*innen beschnitten? Für den konkreten Fall des Aldi-Neubaus in Blankenese ändert sich nicht viel: Es wird trotzdem eine öffentliche Verhandlung mit den Bewohner*innen und dem Bauausschuss geben, nach der alten Geschäftsordnung. Der Bauherr wird nicht dabei sein – wohl wegen der Klageandrohung der Anwohner*innen. Und können Firmen nun wirklich nicht mehr freiwillig auf Anwohner*innen zukommen? „Doch, die müssen dann einfach einen Zettel ausfüllen, der die Stadt vom Datenschutz befreit“, sagt Sven Hielscher von der CDU in Altona.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen