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Unicef schlägt AlarmKlimawandel bedroht Kinderrechte

Laut Unicef leiden eine Milliarde Mädchen und Jungen weltweit unter der Erderhitzung. Das UN-Kinderhilfswerk fordert mehr Mitbestimmung der Kleinen.

Kinder leiden am meisten: Flut in Somalia im Oktober 2019 Foto: AP/Joseph Odelyn

Berlin taz/afp | Fast die Hälfte der weltweit etwa 2,2 Milliarden Kinder sind von den Auswirkungen des globalen Klimawandels besonders betroffen – nicht in der fernen Zukunft, sondern schon heute. Zu diesem Schluss kommt ein Bericht des UN-Kinderhilfswerks Unicef vom Freitag. Viele Mädchen und Jungen litten unter extrem hohen Klimarisiken wie Hitzewellen, Überflutungen oder Dürren.

„Die Auswirkungen des Klimawandels sind relativ gut erforscht“, sagt Unicef-Referentin Jenifer Stolz zur taz. „Was bislang gefehlt hat, ist der Blick auf die Kinder.“ Der Risiko-Index von Unicef sei der erste Klimabericht aus der Perspektive der jungen Generation.

Demnach leiden bereits heute 920 Millionen Kinder weltweit unter Wasserknappheit, 820 Millionen sind stark betroffen von Hitzewellen, 400 Millionen von Wirbelstürmen, 330 Millionen von Überschwemmungen an Flüssen und 240 Millionen von solchen in Küstenregionen.

Fast jedes Kind betroffen

Fast alle Kinder waren mindestens schon mal einem klimabedingten Risiko ausgesetzt. Insgesamt wertete Unicef aktuelle Daten aus 163 Ländern aus. Deutschland landete im weltweiten Vergleich auf Platz 142. Das bedeute nicht, dass Kinder in Deutschland überhaupt nicht betroffen seien, sagt Stolz. „Erst vor Kurzem haben wir gesehen, was es bedeutet, wenn in manchen Regionen Flüsse über die Ufer treten“.

Die rund eine Milliarde betroffener Kinder, deren Situation als „extrem stark gefährdet“ eingestuft wird, lebt in insgesamt 33 Ländern. Dazu gehören Mali, Nigeria, Somalia, Madagaskar und Afghanistan. Unicef betont, dass es sich dabei genau um die Länder handle, die mit am wenigsten zur globalen Erderwärmung beigetragen haben.

Für Jenifer Stolz ist klar, was aus dieser Erkenntnis folgen müsse. „Wir müssen dringend mehr dafür tun, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren“, sagt sie. Unicef fordert zudem, Kinder und Jugendliche müssten „in alle nationalen, regionalen und internationalen Klimaverhandlungen einbezogen werden“. Dies gelte auch für die UN-Klimakonferenz im November in Glasgow.

Recht auf Bildung bedroht

Kinder seien am stärksten betroffen, obwohl sie am wenigsten für den menschengemachten Klimawandel verantwortlich seien, betont Stolz. Ihre Körper könnten weniger gut auf Gefahren wie Luftverschmutzung reagieren als die von Erwachsenen.

Nicht nur ihre Gesundheit sei gefährdet, sondern auch ihre Rechte. „Die Auswirkungen des Klimawandels hindern viele Kinder daran, zur Schule zu gehen, etwa wenn die Schulgebäude durch Überschwemmungen zerstört werden“, so Stolz. In dem Bericht heißt es, Benachteiligungen aufgrund von Umweltzerstörung könnten bei Kindern dazu führen, „dass sie ihr ganzes Leben keine Chancen haben“.

Herausgegeben wurde der Unicef-Report gemeinsam mit Fridays for Future. Anlass war der dritte Jahrestag des ersten Protests von Greta Thunberg, dem Start der weltweiten Klimastreikbewegung. Am Freitag demonstrierte sie erneut vor dem Parlament in Stockholm, unter anderem mit der Deutschen Luisa Neubauer. „Wir sind nicht nur Opfer, wir führen auch den Kampf gegen die Krise an“, sagte Thunberg.

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8 Kommentare

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  • Hören wir uns diesen Vortrag an. Da erklärt uns mal ein Physiker was:



    Die Klimadebatte – Lokale Ideologie und globale Realität



    www.youtube.com/watch?v=OaWM2Pd0sHY

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Günter:

      Zu einem der 6 Punkte von Prof. Ganteför habe ich eine etwas anderer Meinung.



      Für mich ist das Hauptproblem - nicht nur zum Thema Klima - die Überbevölkerung.



      Er sagt, es reicht, wenn man den Lebensstandard in den jeweiligen Ländern erhöht - damit würde sich die Bevölkerung selbst regulieren. "Bildung ist auch Klimaschutz".

      Wir zahlen doch eine CO2-Abgabe. Warum nicht stattdessen ein Teil davon als Abgabe für die Belohnung für weniger Kinder und gleichzeitig die kostenfreie Zurverfügungstellung von Verhütungsmitteln in Ländern wie etwa Nigeria, Ägypten und Indien.



      Dabei darf man allerdings die sozialen Aufgaben einer Großfamilie, die in vielen Ländern noch eine wichtige Funktion für die Altersabsicherung spielt, nicht außer Acht lassen. Ansonsten verhungern die Leute.

      Was mir auch fehlt ist die weltweite CO2-Speicherung neben all den anderen Maßnahmen. Wir waren mal auf einem guten Weg dahin.



      Ernüchternd und richtig dargestellt ist natürlich, was in anderen Ländern passiert. Das ist das Hauptthema seines Vortrags!

      Ohne drastische Maßnahmen werden wir es nicht schaffen. Das heißt aber dann massivste Migrationsbewegungen, evtl. auch für Europäer! Das wird dann richtig teuer.

      • @17900 (Profil gelöscht):

        Das Bevölkerungswachstum ist nicht das Problem.

        Wurzel des Übels ist der westliche Lebensstil der eine direkte Korrelation zwischen Wohlstand und Umweltzerstörung erzeugt.

        Ja, wenn immer mehr Menschen so leben und handeln möchten, wie wir, dann wird eine steigende Bevölkerung sehr schnell bedrohlich.

        Aber genau da müssen wir ansetzen. Wenn wir es schaffen eine Gesellschaft zu erschaffen die angemessenen Wohlstand für alle und zwar nachhaltig schafft. Dann habe ich Hoffnung, dass sich was ändern kann.

        Dazu muss sich jedoch gegenwärtig einiges Ändern. Der Konsum muss von immer mehr zu was brauche ich wirklich? Die Produktion umweltfreundlich und das Recycling in fast allen Bereichen auf nahezu 100% erhöht werden. Im Bau, in der Verpackung, bei Elektronik muss das Produkt bis über die Entsorgung hinaus geplant sein und Reparatur wieder einen höheren Stellenwert bekommen. Ja das ist mit unserem derzeitigen Wirtschaftssystem nicht kompatibel, aber das ist ein Schutz des Klimas auch nicht

        Anstelle einer Globen Geburtenkontrolle, die eh nicht durchsetzbar wäre, denke wären andere Maßnahmen sinnvoller.

        Wie wäre es mit einem Internationalen Umweltfond der die nicht so gut betuchten Nationen finanziell dabei unterstützt eine nachhaltige Energieversorgung aufzubauen?



        Ein mögliches Kriterium um Geld zu bekommen könnte eine CO2 Steuer und oder Recycling Quote sein.

        Bilaterale Handelsverträge? Nur mit CO2 Steuer. So wäre diese tatsächlich womöglich weltweit durchsetzbar.

        Wir könnten auch 2x so viele Menschen sein auf der Welt, aber nicht wenn alle so viel Fleisch essen, so viel fliegen, Auto fahren und Plastikmüll erzeugen, wie es, ein durchschnittlicher, EU ,oder US Bürger derzeit tut

        • 1G
          17900 (Profil gelöscht)
          @Obscuritas:

          Ja, ich bin ja bei Ihnen.



          Mit der Überbevölkerung ist natürlich auch das zerstörerische kapitalistische System äußerst eng verbunden. Trotzdem kann man die simple Formel verwenden - Je weniger Menschen, um so weniger Probleme. Im Detail wird`s dann schwierig.

          "Wie wäre es mit einem Internationalen Umweltfond........"



          Ja, aber das ist genauso wenig global durchsetzbar.



          Ein Belohnungssystem finde ich immer noch die erfolgversprechendste Lösung. Letztlich läuft das ja auch auf einen int. Fond hinaus.

        • @Obscuritas:

          Wir müssen einen anderen Ansatz finden als eine -globale- Geburtenkontrolle. Wier müssen damit anfangen.



          Was glauben Sie (um aktuell zu bleiben) weshalb sich die USA so hals über Kopf aus Afganistan zurückgezogen haben.



          Selbst die mächtigen USA haben nicht genug Ressourcen, sich überall zu engagieren. Der Focus liegt nun bei China. Der Weckruf der USA für die neue Orientierung war der aggressive Anspruch Chinas auf das südchiunesische Meer. Dort werden enorme Rohstoffvorkommen vermutet, ohne die der Anspruch von 1,4 Milliarden Chinesen auf ein luxuriöses Leben, wie etwa bei uns, nicht zu sichern ist.



          Hier deuten sich die verteilungskämpfe an, die wir bei einer weiter wachsenden Bevölkerung auf der Erde erleben werden.

          lesen Sie hier weiter:



          clivebest.com/blog/?page_id=2949



          "My personal view is that humans have massively changed the global natural order and CO2 emissions are a symptom of this rather than the overriding central issue. Only if and when population can be stabilised will we have a hope of balancing human needs with those of nature. Concentrating on CO2 emissions is probably a diversion from this primary problem."

      • @17900 (Profil gelöscht):

        Sie machen sich gute Gedanken!



        Bei der Überbevölkerung müssen wir jedoch bei uns anfangen. Wir haben auf 350.000 qkm über 80 Mio Menschen. Das ist der Grund, warum UNSER Regenwald nicht mehr existiert. Der Boden wird für die Nahrungsmittelproduktion benötigt. Würden sich etwa die Brasilianer unseren Luxus erlauben, hätten die, hochgerechnet, 1,9 Milliarden Menschen bezogen auf deren Landfläche und wir machen uns schon heute Sorgen um den Regenwald dort. In Deutschland müssen wir anfangen. Langfristig müssen wir eine Bevölkerungspolitik betreiben, so dass wir uns in den nächsten vielleicht 800 Jahren auf 40 Mio gesundschrumpfen. Schon heute wollen 8 Milliarden Menschen auf der Erde in dem gleichen Wohlstand leben, wie wir in Deutschland. Das geht nur durch Verbrauch von Ressourcen.

        • 1G
          17900 (Profil gelöscht)
          @Günter:

          Die 40 Mio würden in kürzester Zeit durch Migration wieder wenigstens auf den alten Stand zurückfallen.



          Außerdem muss man natürlich global denken.



          Selbstverständlich müssen auch wir in unserem Land massivst was tun. Dazu gehört der Stopp von Soja-Importen aus Brasilien, wir brauchen auch kein Fleisch aus Südamerika, massive Einschränkung von Massentierhaltung usw. und natürlich die Nutzung der erneuerbaren Energien. Geothermie scheint für viele immer noch ein Fremdwort zu sein - ist langsam im Kommen.



          Wir brauchen aber auch CO2-Speicherung. All diese Maßnahmen müssen schnellstmöglich durchgeführt werden. Anfangen und nicht auf irgendwelche Datumsgrenzen schauen, die fast monatlich neu definiert werden. Papier ist geduldig. Der Erde ist das wurscht!

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Günter:

      Sehr schön!



      "Pullover für die Erde", hat mir gut gefallen.



      Ich fürchte aber, so mancher "Nicht-Akademiker" ist mit dieser Vorlesung, obwohl sehr verständlich, überfordert.