Vorwürfe gegen Spargelbauer: Miese Ernte für Erntehelfer

Erntehelfer werfen einem Bauern in Schleswig-Holstein vorenthaltenen Lohn und unmenschliche Behandlung vor. Die Grünen fordern bessere Kontrollen.

Erntehelfer legen nach dem Spargelstechen die Planen wieder über die Spargeldämme.

Immer wieder Opfer schlechter Arbeitsbedingungen: Erntehelfer, hier in Hessen Foto: dpa / Andreas Arnold

OSNABRÜCK taz | Christian Schäfer steht unter Druck. Auf seinem Spargelhof in Wiemersdorf im schleswig-holsteinischen Kreis Segeberg beschäftigt er Saisonkräfte. Über 70 waren es dieses Jahr, bis Ende Juni.

Das Problem: Einige von ihnen erheben schwere Vorwürfe. Schäfers Ex-Beschäftigte stammen aus Rumänien und haben ihre Geschichte dem NDR erzählt, mit Sätzen wie: „Wir haben uns gefühlt wie Sklaven.“ Man habe den Hof mehrere Wochen lang nicht verlassen dürfen, anderenfalls habe der Rauswurf gedroht. In einer der Unterkünfte habe es Schimmelbefall gegeben. Lebensmittel, auch Fleischwaren, die Schäfer den Ernte­helfern in einem improvisierten Shop verkauft habe, seien abgelaufen gewesen, die Haltbarkeit teils geschwärzt.

Schäfer weist die Vorwürfe in einer Erklärung auf seiner Homepage zurück. Seit über 40 Jahren arbeite der Hof mit „zufriedenen ausländischen Saisonarbeitskräften“. In Unterbringung und Verpflegung gehe man „weit über die gesetzlichen Pflichten und Standards hinaus“.

Nur zwei der Beschäftigten hätten Vorwürfe erhoben, sagt der Spargelbauer. Ursprünglich sei es dabei um die Berechnung des Lohns gegangen. Das gewerkschaftsnahe Projekt „Faire Mobilität“ habe nach einer Überprüfung aller Lohnunterlagen „zugeben“ müssen, „dass bis auf den letzten Cent korrekt abgerechnet wurde“. Die übrigen „haltlosen Anschuldigungen“ seien ihm gegenüber von seinen Mitarbeitern „zu keinem Zeitpunkt“ erwähnt worden.

Und das Fotomaterial der Ernte­helfer vom Schimmelbefall? „Das stammt aus einer Zeit vor der Renovierung des Gebäudes im März 2020, ist also nicht aktuell“, sagt Schäfer der taz. „Zu jenem Zeitpunkt wurde das Gebäude nicht als Unterkunft genutzt. Die Erntehelfer-Unterkünfte sind schimmelfrei.“

Steffen Regis, Landesvorsitzender der Grünen Schleswig-Holstein

„In der Erntehilfe sind prekäre Arbeitsverhältnisse ein systematisches Problem“

Schäfers Saisonarbeiter bekamen Mindestlohn, 9,50 Euro pro Stunde. „Sie konnten sich aber leistungsbezogene Boni dazuverdienen“, sagt der Landwirt, „und das haben manche auch getan, bis 1.800 Euro für zweieinhalb Monate Beschäftigung.“ Die Ausgehbeschränkung sei „eine Lüge“.

Ja, es gebe einen Ernte­helfer-Shop auf dem Hof. Aber die Mitarbeiter hätten auch „woanders eingekauft und durften das selbstverständlich auch“. Und die Fotos von den Lebensmitteletiketten? „Wir haben keine Mindeshaltbarkeitsdaten geschwärzt“, sagt Schäfer. Solche Fotos seien „nicht aus unserem Shop“.

Der Bauernverband Schleswig-Holstein unterstützt Schäfer. Auf Facebook zeigt er Videos, in denen Schäfer seine Sicht darlegt, Zweibettzimmer der Erntehelfer im Wohncontainertrakt zeigt. Die Schimmelstellen an der Tür der Corona-Quarantäne zeigt er auch – schimmelfrei. Auch Erntehelfer kommen in den Videos zu Wort; sie loben den Betrieb. Lennart Butz, Kreisbauernver­band Segeberg, lobt ihn da auch. Er sei „gut geführt“.

„In der Erntehilfe, genau wie in Schlachthöfen und in der Pflege, sind prekäre Arbeitsverhältnisse keine Einzelfälle“, sagt Steffen Regis, Landesvorsitzender der Grünen Schleswig-Holstein. „Sie sind ein systemisches Problem, und das ist leider nicht neu.“

Man brauche endlich bundesrechtliche Klarheit: „Etwa Mindeststandards für die Unterkunft. Ein Beispiel: Aus der Soll-Regelung für Einzelzimmer muss endlich eine verbindliche Regelung werden. Es geht einfach nicht, dass man Leute in 8-Bett-Zimmern unterbringt, zum Teil in völlig menschenunwürdigen, vergammelten Baracken, isoliert von der Außenwelt.“

Der Mindestlohn sei zu niedrig; 12 Euro fordern die Grünen. Und der Kontrolldruck sei zu gering: „Die Personaldecke in den Kommunalbehörden ist viel zu dünn, die schaffen das einfach nicht.“ Es gebe vernünftige Betriebe, aber eben auch schwarze Schafe. „Das ist ja immer heikel, wenn Leute in krassen Abhängigkeitsverhältnissen leben. Das ist ein Schattendasein, und wir müssen endlich die richtigen Voraussetzungen schaffen, um auch von draußen dort reinzugehen und genau hinzuschauen.“

Helga Zichner, Beraterin bei Faire Mobilität, hat hingeschaut. Ende April habe es bei Schäfer eine Infoaktion gegeben, sagt sie der taz. Man habe Arbeiter gefragt, ob sie schon Arbeitsverträge hätten. Sie hätten verneint. „Auch auf die Frage, ob sie wüssten, wie sie kranken­versichert sein würden, sagten sie, sie wüssten das nicht.“ Das sei hoch problematisch.

Primär geht es um den Lohn

Anfang Juni meldete sich dann ein Schäfer-Arbeiter bei Faire Mobilität. Auf den Fotos, die Faire Mobilität gezeigt wurden, waren Schaumstoffmatratzen ohne Bezug, einfachste Metallbetten und Schimmelbefall zu sehen. Auch die Lebensmittel kommen zur Sprache, auch das Ausgehverbot. Primär aber geht es um den Lohn. Faire Mobilität fährt zum Ortstermin. Drei Ernte­helfer hätten gemeinsam abreisen wollen, sagt Zichner.

Das Kernproblem: Es habe „sehr viele Tage mit weniger als acht Stunden Arbeitszeit“ gegeben, entgegen dem Arbeitsvertrag, der eine 48-Stunden-Woche vorsah. Nur die tatsächlich geleisteten Stunden habe Schäfer bezahlen wollen. „Die Erntehelfer haben aufgrund der Unterbringung auf dem Betriebsgelände ihre Arbeitskraft permanent angeboten. Für die nicht abgerufene Arbeitskraft muss der Arbeitgeber den Annahmeverzugslohn zahlen, denn er trägt das Betriebsrisiko.“ Von dieser Pflicht habe sich der Landwirt nicht überzeugen lassen.

In einem Fall sei es um eine Differenz von etwa 1.000 Euro brutto gegangen. „Diesen Anspruch hätten die Ratsuchenden nur versuchen können vor dem Arbeitsgericht durchzusetzen, das wäre für sie jedoch extrem aufwendig gewesen“, sagt Zichner. Christian Schäfer steht unter Druck.

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