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corona in hamburg„Das Gefragte wird selten gespendet“

Spendenannahme: Di, Do und Fr, 10–18 Uhr, Hanseatic Help, Große Elbstraße 264

Interview Alexander Diehl

taz: Frau Szepan, mehrere Obdachlosen-Hilfsorganisationen haben „dringenden Bedarf an Kleider- und Sachspenden“ angemeldet. Es war in den vergangenen Monaten aber auch zu hören: Derzeit keine Kleidung spenden, bitte! Wie passt das zusammen?

Manuela Szepan: Es gibt zwar ein hohes Spendenaufkommen an Kleidung, aber das sind nicht die Artikel, die gebraucht werden.

Wovon bekommen Sie denn zu viel?

Es wird viel Damenkleidung gespendet, aber auch viele Hemden, Anzüge – das sind die Sachen, die oftmals noch gut erhalten sind. Aber gebraucht werden andere.

Nämlich?

Wenn wir von der Obdachlosenhilfe sprechen – da werden sehr spezifische Artikel nachgefragt: Jeans, zum Beispiel, also robuste, haltbare Hosen, outdoorgeeignete Jacken, T-Shirts, Jogginghosen, Kapuzenpullover und -jacken. Aber genau diese Artikel tragen halt viele Besitzer selbst, bis sie vom Leib fallen sozusagen. Und so kommen die nicht oft bis zu uns.

Anders als der einst zu irgendeiner Feier angeschaffte Anzug, der, kaum genutzt, aus der Mode gerät. Noch mal zu den Geschlechtern: Auf der Straße …

… gibt es deutlich weniger obdachlose Frauen als Männer. Das hat unterschiedliche Gründe, etwa, dass Frauen „kreativer“ sind bei der Vermeidung von Obdachlosigkeit – und sich beispielsweise in Abhängigkeitsverhältnisse begeben, um nicht auf der Straße zu landen. Weil es dort also mehr Männer gibt, brauchen die Kleiderkammern auch mehr Kleidung für sie.

Ganz pragmatisch gedacht: Es ist für eine Frau vermutlich auch besser vorstellbar, einen Männerpullover zu tragen, als es umgekehrt der Fall wäre.

Richtig, ja.

Corona hat zu einem teilweisen Einstellen des Sammelns geführt. Einige Akteure haben aber auch aus anderen Gründen ihre Container entfernt.

Die werden zum Teil schlicht zur Müllentsorgung missbraucht – und da wird dann schon mal eine ganze Containerladung unbrauchbar. Daraus haben die Stadtreinigung und das Rote Kreuz in Hamburg die Konsequenz gezogen.

Welche Rolle spielt eigentlich „Fast ­Fashion“, dass also viel Kleidung heute weniger lange haltbar ist?

Das ist ein Problem: die mangelnde Qualität. Das merkt man ja vielleicht auch selbst, dass die Sachen schlicht nicht mehr so lange halten, wie man das noch von vor einigen Jahren kennt.

Noch mal zu Corona: Welche Auswirkungen hat die Pandemie beziehungsweise ihre Bekämpfung – aufs Spenden und auf den Bedarf?

Nicht nur im Obdachlosenbereich gibt es mehr Bedürftige – auch wegen Corona. Es gibt ja eindeutige Verlierer der Pandemie, die jetzt vielleicht eher als vorher angewiesen sind auf eine Kleiderspende. Auf der anderen Seite waren wegen Corona auch viele Kleiderkammern geschlossen. Sie konnten also nicht kontinuierlich Sachen annehmen und auch nicht sortieren.

Manuela Szepan

40, ist seit 2016 bei „Hanseatic Help“: zunächst ehrenamtlich, seit Juli 2019 hauptamtlich im Bereich Logistik und Hallen­koordination

Was aber wichtig wäre.

Ja. Nur so zieht man die Sachen raus, die wirklich gebraucht werden. Und dann beschert uns Corona auch zum Teil dieses Überangebot: Viele Leute waren lange zu Hause – und haben aussortiert. Der Anteil Sachen, mit denen wir gar nichts anfangen können, ist dadurch teils so hoch, dass wir als Organisation aufpassen müssen, dass wir nicht handlungsunfähig werden.

Gibt es noch mehr zu beachten? Brauchen Sie bei den Herrensachen alle Größen, zum Beispiel?

Von S bis XL wird alles benötigt. M und L am meisten, aber die anderen Größen auch.

Wie steht es mit Schuhen?

Ja, die sind auch gefragt. Bei obdachlosen Menschen, die sie ja den ganzen Tag tragen müssen, geht es dann um bequeme: Sneaker, Turnschuhe. Und dann natürlich auch wintertaugliche, gefütterte, gerne wasserdichte.

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