Aus der Tiefe der ARD-Kasse

Spielgeld (7) Günter Netzer ist berühmt als Spielmacher, aber sein Blick für lukrative Jobs ist mindestens so bemerkenswert. Nachdem er den Wechsel zu Werder Bremen einmal abgelehnt hatte, ist die Beziehung später umso einträglicher geworden

Von Ralf Lorenzen

Bei der vergangenen Fußball-EM musste man sich als Ex-Spieler schon sehr blöd anstellen, um keinen Job in den Medien zu bekommen. Bei TV-Übertragungen waren zum Teil fünf sogenannte Experten gleichzeitig am Start. Kein Wunder, dass Top-Experte Bastian Schweinsteiger die große Nachfrage nutze, um während einer von ihm begleiteten ARD-Übertragung via Twitter eine Uhr funkeln zu lassen, für deren Hersteller er als Werbeträger tätig sein soll. Er hat eben nicht die Möglichkeiten des Großmeisters der Genres, Günter Netzer, der teilweise schon an der Vergabe der Übertragungsrechte für die von ihm kommentierten Spiele mitverdiente. Während Schweinsteiger sich entschuldigen musste, bekam Netzer Preise.

Netzer war nach seiner aktiven Karriere zwar auch als HSV-Manager tätig, hatte aber schon als Spieler erkannt, wo der Fußball-Rubel wirklich rollt. Als Werder Bremen sich 1971 mit der Kohle vom Bremer Senat und ein paar Mittelständlern die legendäre „Millionen-Elf“ zusammenkaufte, sollte eigentlich auch der Mönchengladbacher Spielmacher dazugehören. Der war aber in Personalunion Herausgeber der Stadionzeitung „Fohlen-Echo“ und wollte nur an die Weser kommen, wenn man ihm dort das „Werder Echo“ überließe. Werder lehnte ab und Netzer muss gedacht haben: „Man sieht sich immer zweimal.“

Nach seiner HSV-Zeit zog Netzer in die Schweiz und begann mit Sportrechten zu handeln. Von 2002 bis 2017 war er Mitglied der Geschäftsleitung von Infront, einem der weltweit größten Sportmarketing-Unternehmen. Infront ist bis heute exklusiver Vermarktungspartner von Werder Bremen und weiteren Bundesligisten. Exklusiv vermarktete die Firma auch die Medienrechte an den Weltmeisterschaften 2002 und 2006. An ARD und ZDF verkaufte Infront jeweils 48 Spiele, die ihr leitender Angestellter Netzer bei ARD-Spielen in der Halbzeitpause launig und gut bezahlt kommentierte.

Die Bilder der Begegnungen der Weltmeisterschaften 2002 und 2006 produzierte die Infront-Tochterfirma HBS, die bis heute für die Übertragung der Topturniere wie der EM 2021 und der WM 2022 in Katar zuständig ist. Infront gehört seit 2015 dem chinesischen Wanda-Konzern. China ist der neue große Player im Weltfußball, dortige Unternehmen investierten seit 2014 über zwei Milliarden Euro in 20 europäische Klubs.

Der DFB beendete 2020 die Zusammenarbeit mit Infront mit Verweis auf einen Untersuchungsbericht, der sich auch mit möglichen „unrechtmäßigen Einflussnahmen auf DFB-Vertreter“ beschäftigte. Infront wies die Vorwürfe zurück, inzwischen wurde der Vertrag „einvernehmlich“ aufgehoben.