Rassismus in Berliner Clubs: Tanzen und reden

Mit der Veranstaltungsreihe “Emergent Bass“ startet der Club Mensch Meier am 17. Juli seine Sommersaison. Das Thema: Rassismus und Clubkultur.

Rassismus soll hier nicht länger unbeleuchtet bleiben: Tanzende in einem Berliner Club 2016 Foto: dpa

BERLIN taz | Vor ein paar Jahren gab der Detroiter DJ Jeff Mills, der viele Jahre lang in Berlin gelebt hat, im Magazin “Borshch“ zu Protokoll, dass er in seiner Zeit hier mehrfach mit dem N-Wort bedacht wurde. Und zwar nicht etwa nur auf der Straße, sondern in den Clubs, von Leuten aus der Techno-Szene.

Dabei gehört die Absage an jede Form von Rassismus eigentlich als erstes Gebot mit in den Katechismus der Berliner Clubkultur.

Oder: Ende letzten Jahres trat ein ehemaliger Mitarbeiter der Wilden Renate an die Öffentlichkeit und beschwerte sich darüber, dass er von Kollegen und Kolleginnen immer wieder rassistisch beleidigt worden sei. Interessanterweise wurde in Berlin kaum über den Fall berichtet, während Fachmagazine aus dem Ausland lange Recherchen darüber veröffentlichten.

Wie rassistisch sind die Clubs?

Wie rassistisch also ist die Berliner Clubkultur? Dieser Frage will die interdisziplinäre Veranstaltungsreihe “Emergent Bass“ nachgehen, die ab dem 17. Juli im Club Mensch Meier gastiert, der damit gleichzeitig seine Sommersaison starten wird.

Acht Tage und Nächte lang sollen alle nur denkbaren Aspekte rund um das Thema erörtert und nicht zuletzt auch ertanzt werden. Auf zwei Jahre Dauer ist “Emergent Bass“ angelegt, als Forschungsprojekt mit Workshops und Diskussionsrunden und Partyreihe gleichzeitig. “Afrodiasporische Musik, Rassismus, soziale Gerechtigkeit und was das alles mit der Berliner Clubkultur zu tun hat, wolle “Emergent Bass“ verhandeln, so Karoline Lucks, eine der Veranstalterinnen. Forschungen zum Thema aus dem Archiv der Jugendkulturen sollen miteingebracht werden, diverse Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, aber auch von Rassismus Betroffene am Diskurs teilnehmen. “Wir wollen neue Perspektiven und Interpretationen der Berliner Subkulturgeschichte anbieten“, sagt sie. Queere, migrantisch geprägte und afrodiasporische Erzählungen sollen sichtbarer werden. Ganz schön ambitioniert.

Auch sehr viel passende Musik zum Thema werde es geben, das Erörterte solle auch “sinnlich erfahrbar“ sein

Aber auch zwingend notwendig. Die Debatte um die “Weißwaschung“ der elektronischen Tanzmusik und DJ-Kultur schwelt schließlich schon seit langem. Aber vor allem in den USA. Jetzt kommt sie dorthin, wo sie unbedingt auch hingehört: in die Welthauptstadt der Clubkultur.

Auch für Berlin ist die Debatte darüber, dass die afroamerikanischen und queeren Wurzeln der heutigen Dancemusik zunehmend marginalisiert werden, interessant. House entstand im Chicago der Achtziger in den Schwulenclubs, Techno wurde in Detroit erfunden, von ein paar afroamerikanischen Kraftwerk-Fans, die aber auch auf schwarzen Funk standen.

In der heute kommerziell erfolgreichsten Form von Dancemusik, der EDM-Szene, wurde scheinbar völlig vergessen, wo sie eigentlich herkommt. Da können sich die Detroiter Techno-Urgesteine noch so sehr darüber mokieren, dass eigentlich sie die ganze Sache ins Rollen gebracht haben: auf den großen Partys in Las Vegas kennt kaum noch einer der Gäste überhaupt deren Namen.

Und in Berlin sind die Zeiten, in denen Schwarze DJs aus Detroit hier die großen Stars waren, auch weitgehend vorbei. Junge Raver wissen gar nicht mehr, dass es vor in Ostdeutschland geborenen Berghain-DJs wie Marcel Dettman diese afroamerikanischen Szene-Pioniere aus den USA gab.

Bei “Emergent Bass“ werden sie mehr dazu erfahren können. Aber keine Angst: es werde nicht nur um Theorie gehen, versichert Lucks. Auch sehr viel passende Musik zum Thema werde es geben, das Erörterte solle auch “sinnlich erfahrbar“ sein. Denn “am Ende des Tages werden es auch Partys sein, auf denen die Leute tanzen sollen.“

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