100 Jahre KP, 72 Jahre Machterhalt

Kapitalismus unter Hammer und Sichel – keine andere autoritäre Partei auf der Welt ist schon so lange an der Macht wie die Kommunistische Partei Chinas

Die Kommunistische Partei Chinas ist heute vor allem eine Eliteorganisation der Reichen und der Mächtigen im Land

VonFelix Lee

Der Regen kam ihnen gelegen. 13 Männer trafen sich Ende Juli 1921 auf einem Ausflugsboot auf einem See rund 90 Kilometer südwestlich von Schanghai, lautet die Legende. Aus Furcht vor Polizeispitzeln mussten sie ihren Kongress in einem Backsteinhaus unterbrechen. Die 13 setzten ihr Gründungstreffen auf dem Boot fort.

Angesichts des schlechten Wetters waren nur wenige andere Touristen auf dem See. Trotzdem verstummten sie, sobald jemand an ihnen vorbeifuhr. Sie saßen an einem Tisch und hatten ein Ma­jiang-Spiel vor sich ausgebreitet. Doch nur zum Schein. Gespielt wurde nicht, sondern heftig diskutiert. Einer dieser 13 war ein hochgewachsener Geschichtslehrer in abgewetzter Hose und Arbeiterjacke aus der Provinz Jiangxi. Sein Name: Mao Tse-tung.

Auch wenn das Gründungstreffen auf Ende Juli zurückgeht – die kommunistische Führung beginnt die Feierlichkeiten rund um das einhundertjährige Jubiläum ihrer Partei bereits am 1. Juli. Einen Monat lang wollen die Funk­tio­näre feiern. Doch statt Revolutionäre in Arbeiter- und Bauernkluft dürften sich bei den Empfängen vor allem Parteikader und karriereorientierte Managertypen in teuren Markenanzügen die Hände schütteln. Denn die Kommunistische Partei Chinas ist heute vor allem eine Eliteorganisation der Reichen und Mächtigen.

Das war nicht immer so. In den ersten 28 Jahren ihrer Existenz war sie ein bunter Haufen aus Abenteurern, Bauern, einigen wenigen Intellektuellen sowie Warlords und Abtrünnigen, die mit der in vielen Teilen korrupten Nationalen Guomindang-Regierung (Guomindang) unter Chiang Kai-Shek gebrochen hatten. Ar­bei­te­r:in­nen waren in der Minderheit. Ein industrielles Proletariat gab es im unterentwickelten China damals nur in wenigen Großstädten.

Von Beginn an hasste Chiang die Kommunisten, und seine Truppen zwangen Zehntausende An­hän­ge­r:in­nen Maos ab 1934 zum etwa 8.000 Kilometer „Langen Marsch“, den ein Großteil nicht überlebte. Die Verbliebenen erreichten schließlich das Bergdorf Yan’an. Von dort aus gelang es Mao, die KP aufzubauen.

Chiang bekämpfte die Kommunisten zeitweise erbitterter als die japanischen Invasoren, die ab 1936 in einem grausamen Eroberungskrieg weite Teile Chinas einnahmen und dabei mehr Menschen umbrachten als Nazi-Deutschland in der Sowjetunion. Das nahmen viele Chinesen Chiang übel, und das brachte den Kommunisten den bis dahin größten Zulauf. Nicht zuletzt auch auf Druck der USA wurde Chiang dazu gezwungen, sich mit Mao und seinen Partisanen zusammenzuschließen, um die Japaner gemeinsam zu bekämpfen. Doch kaum waren die Japaner besiegt, flammte der Bürgerkrieg erneut auf – den Chiang verlor. Mit seinen An­hän­ge­r:in­nen floh er auf die vorgelagerte Insel Taiwan.

Mit Ausrufung der Volksrepublik am 1. Oktober 1949 schottete Mao das Riesenland ab – und brach selbst mit der Sowjetunion. Mao war überzeugt: Nur ohne ausländischen Einfluss ließ sich das völlig zerrüttete Land aufbauen. Er ging dabei ideologischer vor als seine sowjetischen Genossen. Mit dem „Großen Sprung nach vorn“ ab 1958 wollte Mao den Kommunismus innerhalb weniger Jahre verwirklichen: Die Industrialisierung sollte beschleunigt, die Produktivität der Landwirtschaft gesteigert werden. Die Kampagne mündete in eine humanitäre Katastrophe. Schätzungsweise 30 Millionen Menschen starben an Hunger und Überanstrengung.

Doch Mao ließ nicht locker. Nicht zuletzt aufgrund innerparteilicher Kämpfe rief er 1966 zur „Großen Proletarischen Kulturrevolution“ auf und hetzte die Jugend gegen ihre Lehrer, Intellektuelle, sogar die eigenen Eltern uf. Diese Kampagne endete erst zehn Jahre später mit Maos Tod.

Sein Nachfolger Deng Xiaoping läutete ab den späten 1970er Jahren ein völlig neues Zeitalter ein. Er ließ Marktwirtschaft zu und ausländische Investoren ins Land. Mit seinen Reformen trug er zum größten Wohlstandsgewinn bei, den es in der Menschheitsgeschichte innerhalb so kurzer Zeit gegeben hat. Mit der Ideologie seines Vorgängers räumte Deng auf. Zugleich gelang es ihm, die KP als Machtbasis zu erhalten. Prada und Gucci unter Hammer und Sichel – unter Deng wurde das möglich.

Seit Xi Jinping 2013 Staatsoberhaupt ist, findet in China eine Reideologisierung statt. Mao-Kult und Rote Lieder haben wieder Hochkonjunktur. Doch mit der kommunistischen Idee hat auch das nichts zu tun. Auch ihm geht es allein um seinem eigenen Machterhalt und den der KP.