„Haltlos und unangebracht“

Jüdische Intellektuelle verteidigen Autorin Carolin Emcke gegen Antisemitismusvorwürfe. Der Springer-Presse werfen sie vor, mit ihren Angriffen auf Emcke den Antisemitismusbegriff zu instrumentalisieren

Von Frederik Eikmanns

Jüdische Intellektuelle und Künst­le­r:in­nen verteidigen in einer gemeinsamen Stellungnahme die Autorin Carolin Emcke gegen den Vorwurf des Antisemitismus. Unterzeichnet haben etwa der Pianist Igor ­Levit, die Philosophin Susan ­Neimann, der Autor Max Czollek, die Autorin Eva Menasse und der Comedian Shahak Shapira. Sie schreiben, in den Vorwürfen gegen Emcke zeige sich „die Verzerrung und Verdrehung von Tatsachen und die Lüge als mediale Methode“.

Die preisgekrönte und zivilgesellschaftlich engagierte Publizistin Emcke hatte am Wochenende auf dem Grünen-Parteitag über Falschmeldungen und rechte Hetze während des Bundestagswahlkampfs gesprochen. Dabei sagte sie: „Es wird sicher wieder von Elite gesprochen werden und vermutlich werden es dann nicht die Juden und Kosmopoliten, nicht die Feministinnen oder die Virologinnen sein, vor denen gewarnt wird, sondern die Klimaforscherinnen.“

Die Springer-Zeitungen Bild und Welt sowie Unions-Poli­ti­ke­r:in­nen warfen ihr daraufhin Antisemitismus vor: ­Emcke habe das Leid jüdischer Menschen während des Holocaust verharmlost. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak schrieb auf Twitter von einer „unglaublichen + geschichtsvergessenen Entgleisung“. Die Vorwürfe gegen Emcke bezeichnen die jüdischen Un­ter­zeich­ne­r:in­nen als „haltlos und unangebracht“. Sie schreiben: „Keiner ihrer [Emckes; Anmerkung d. Red.] Sätze ist in irgendeiner Weise als antisemitisch zu werten.“ Die Kri­ti­ke­r:in­nen Emckes unterminierten „mit diesen aus dem Zusammenhang und aus der Luft gerissenen Vorwürfen den eigentlichen wichtigen Kampf gegen den Antisemitismus“. Weiter heißt es im Statement: „Auf die gemeinsame kulturelle Textur und politische Form gruppenfeindlicher Ressentiments hinzuweisen bedeutet mitnichten, den Antisemitismus zu verharmlosen oder alles irgendwie gleich, gar beliebig zu behandeln. Im Gegenteil.“

Insbesondere Bild und Welt werden im Text hart angegangen: Deren Au­to­r:in­nen hätten mit ihren Angriffen auf Emcke den Antisemitismusbegriff „instrumentalisiert, missbraucht, also entwertet.“ Die Behauptung, Springer setze sich konsequent gegen Antisemitismus ein, sei deswegen „hohl“.

Vielmehr diene der vermeintliche Kampf der Springer-Medien gegen Hass auf jüdische Menschen „als Alibi für ressentiment-schürende, teilweise regelrecht hetzende Berichterstattung gegen Muslim:innen, Geflüchtete – oder, wie in diesem Fall, gegen Menschen, die politisch nicht rechts stehen“. Das Leben jüdischer Menschen in Deutschland werde so „lediglich als Munition in einem herbeigeschriebenen Kulturkampf genutzt“.