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Heute schon feucht gewischt?

Wie viel man hat, wie viel man braucht: Die Ausstellung „Möbelhaus Kunst“ in Potsdam schraubt sich mit Witz und Spiel tief ins Alltägliche

Von Katrin Bettina Müller

Verkaufen will man schon, aber nach Kommerz soll es nicht aussehen. Das ist ein Dilemma der Kunst, das sie üblicherweise in der Präsentationsform aufzulösen sucht – viel Freiraum um das Werk im White Cube hilft bei der Auraproduktion. Die Ausstellung „Möbelhaus Kunst“ im Kunsthaus sans titre in Potsdam dreht den Spieß um, verzichtet auf den vornehmen Abstand zwischen den Werken und zeigt Arbeiten von 33 Künst­le­r:in­nen eng gedrängt und sortiert wie im Möbelhaus: hier Betten und Regale, da Geschirr und Elektro. Die Kunst speist sich hier aus dem nahen und unspektakulären Alltag und verändert bestenfalls den Blick auf ihn.

Heute schon gewischt? Scheuerlappen, Eimer und Schrubber stehen bereit in einer Installation von Margund Smolka, die Teil der Kunst ist, nicht vergessenes Werkzeug. Man merkt es an einem Detail, Meeresrauschen und dem Bild von Wellen, das auf einem Monitor durch den Riss im Putzlappen leuchtet. Beim feuchten Wischen ans Meer denken, die Sehnsucht ist da, die Erfüllung oft fern.

Angela Bohnen malt Streifen, direkt auf den Fußboden, orange, rot, grau, grün, blau: So entsteht ein gemalter Läufer gleich im Eingang des Kunsthaus sans titre. Es gibt einen Preis für den laufenden Meter, 499,99 € – so sagt es das Faltblatt zur Ausstellung –, zu dem man ihre Arbeit kaufen kann. Und damit konkret ihre Arbeitszeit. Mit der Zeit, die wir am Tag mit Schlafen, Essen, Arbeiten oder unterwegs verbringen, hat sich Barbara Steppe beschäftigt, sie in Prozentzahlen ausgerechnet und danach die Proportionen von Regalfächern. Zum Raum wird hier die Zeit.

Vieles, was für die Ausstellung wie gemacht wirkt, hat schon etliche Transformationen durchlaufen

Nicht weit davon steht ein schöner Paravent von Dana Widawski, in blau-grauen Farben, „Business Break at Sumida River“, von 2010. Vor zehn Jahren also schon entstanden diese Figuren sitzender Männer mit Hemd und Krawatte, die in ihren Smartphones lesen und Mund-Nasen-Masken tragen. Wohl weil die Luft nicht allzu gut am Flussufer ist.

Fast alle Arbeiten machen es leicht, sich eine Geschichte dazu zu denken. Wie die Nester aus Kabelschrott und die mit Gebrauchsanweisung beschriftete Mausefalle, die von Timo Kahlen kommen. Oder sie laden zur geselligen Nutzung ein, wie eine Skulptur von Gaby Taplick aus verschiedenen Panelen, auf deren Stufen man sitzen kann. Es ist ein gebautes Archiv verschiedener Geschmacksrichtungen, sperriger als ein Möbelstück bildet es ein Monument gesammelter Wohnvergangenheiten. Die ästhetischen Zugriffe sind dabei unterschiedlich, schöne Lampen aus recyceltem Material finden sich ebenso wie Trompe-l’œil, täuschend echte Kopien des real life. Ka Bomhardt lässt in einem Video einen Heizkörper in Flammen aufgehen – er war eben diesmal aus Papier und vermittelte Wärme nur als Bild.

Zwei Künstlerinnen, Pomona Zipser, die mit einer verspielten Bar dabei ist, und Claudia Busching, die einen Vorhang aus der Gaze der Baustellenverkleidung bestickt hat, haben das Möbelhaus Kunst geplant und die Mitwirkenden gesucht. Oft wussten sie aus langen Künstlerbekanntschaften, wer eine Neigung zum Thema hat. Die meisten Mitwirkenden sind seit mehr als dreißig Jahren in der Kunst um und in Berlin aktiv, teils arbeiten sie in der Lehre, oft stellen sie mehr in von Künst­le­r:in­nen selbst organisierten Projekten als in Galerien aus. Ihr Spiel mit dem Marktwert der Kunst geschieht so auch aus einem teils souveränen, teils notgedrungenen Abstand zum Kunstmarkt heraus. Das gibt auch eine Form von Freiheit, die sie hier nutzen.

In der Abteilung Geschirr findet sich auch bemalte Keramik, schon immer ein Hybrid zwischen Kunst und Design, und eine Reihe von Flakons, die mit ihren expressiv als Köpfe gestalteten Verschlüssen zwar nach Keramik aussehen, aber aus Kunststoff sind. Mikos Meininger hat sie gemacht und ihm verdankt sich, dass es das Kunsthaus sans titre überhaupt gibt. Das Haus, ehemals aus der Energieversorgung, stand lange leer, als es Meininger und ein weiterer Künstler entdeckten und mit einem bald gegründeten Verein seit 2010 betreuen.

Vieles, was für die Ausstellung wie gemacht wirkt, hat schon etliche Transformationen durchlaufen. Mit dem Inventar ihres Zuhauses, gezeichnet und über den Computer vergrößert ausgedruckt, beschäftigt sich Ursula Döbereiner schon länger, mit dem hier jetzt wieder eine große Wand tapeziert ist. Es ist eine Arbeit, die mit ihren durchscheinenden Linien etwas von Ordnung und Leichtigkeit vermittelt, aber zugleich den Wust der häuslichen Dingwelt lebhaft vor Augen stellt. Wie viel man hat oder zu brauchen meint. Der Alltag als Materialschlacht, ästhetische Verfremdung hilft Abstand zu gewinnen.

Kunsthaus sans titre, Französische Straße 18 in Potsdam, Mi.–So. 12–18 Uhr, bis 18. Juli. Info unter www.sans-titre.de

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