Erster Erfolg der Deutschen bei der EM: Da geht was
Die DFB-Elf zeigt beim Sieg gegen Portugal, wie schön Fußball sein kann. Mit Robin Gosens haben die Fans nun auch einen neuen Liebling.
So geht's. Aber warum geht's so? Was ist da passiert im deutschen Team, das Bundestrainer Joachim Löw in der gleichen Aufstellung auf den Platz geschickt hat wie gegen Frankreich.
Klar, die Franzosen verteidigen besser, Thomas Müller, der wie zu seinen besten Zeiten lautstark und mit großen Gesten seine Mitspieler dirigiert hat, sie auf Lücken hingewiesen und sie von ihren Gegenspielern weggelockt hat, wies nach dem Spiel genau darauf hin. Zwei, drei Meter weiter vorne habe man gespielt, sagte er noch. So einfach kann das sein.
Joshua Kimmich, von dem es vor dem Spiel hieß, er empfinde seine Versetzung aus dem zentralen Mittelfeld auf die rechte Außenbahn als Zumutung, meinte nach dem Spiel durchaus mit einer Portion Stolz in der Stimme. „Ich glaube, dass wir es ganz gut gemacht haben.“ Da kann er recht haben und recht hatte wohl auch Joachim Löw, der die vor dem Spiel so oft gestellte Systemfrage nicht hatte gelten lassen wollen.
Gute Flügel
Ob Dreierabwehr oder Viererkette, so hatte er gesagt, sei nicht entscheidend. Es komme darauf an, wie die taktischen Vorgaben umgesetzt würden. Und so ist es gekommen, dass Joshua Kimmich von rechts das Spiel aufgezogen hat, von da aus Robion Gosens auf links in die Räume geschickt hat, was dann so zupackend war, wie eine gut greifende Flügelzange es eben ist.
Überhaupt Robin Gosens. Die Schlandianer, die sich mit ihren weißen Fantrikots über die Tribüne der mit 13.000 Zuschauern besetzten Fröttmaninger Arena verteilt hatten, haben einen neuen Helden. Schon vor dem Spiel wurde er besungen und bei seiner Auswechslung direkt nach seinem fantastisch anzusehenen Kopfballtor zum 4:1 wurde er vom Feld veraschiedet wie es sich für den Star des Spiels gehört. An drei Toren war der Spieler von Atalanta Bergamo, den bis vor kurzen in Deutschland kaum jemand kannte, beteiligt.
Als man dem guten Mann nach dem Spiel jene dämliche Trophäe in die Hand drückte, die zur Werbung für den Biersponsor des Turniers dienen soll, da war Gosens anzumerken, wie toll er das, was er bei dieser EM erleben darf, findet. Natürlich fand er gut, was die Deutschen da abgeliefert hatten. Leicht sei die Situation für die Deutschen ja nicht gewesen, meinte er. „Da war jede Menge Druck auf der Kiste:“ Zack! Da war wieder so ein Satz, für den viele Fans Gosens wahrscheinlich am liebsten knuddeln würden. Da redet einer, wie einer eben redet.
Ungewöhnlicher Karriereweg
Irgendwie scheint er anders zu sein als die anderen. Er spielt zuverlässig, wie er die Außenbahn beackert mag Erinnerung wachwecken an deutsche Außenbahnlegenden, die nicht nur geliebt wurdern, weil sie gut kicken konnten, sondern weil immer auch fleißig aussah, wie sie spielten. Mit 26 hat er im vergangenen September sein Länderspieldebüt gegeben. Da hatte er sich beim italienischen Chamions-League-Teilnehmer Atalanta Bergamo längst etabliert. Zuvor flog er unter dem Radar der meisten Beobachter. Vom VfL Rhede ging er als Teenager in die Niederlande.
Er spielte bei Vitesse Arnheim, dem FC Dordrecht und bei Heracles Almelo, bevor er nach Italien gewchselt ist. Da gibt es kein Juniorenländerspiel in seinem Lebenslauf, kein deutsches Leistungszentrum hat den jungen Mann bearbeitet und so steht Gosens für den großen Fußballtraum, nachdem man es irgendwie nach ganz oben schaffen kann, wenn man nur will. Dass sich Gosens zudem anders anhört als andere, weil man ihm nocht nicht allzu oft ein Mikrofon unter die Nase gehalten hat, gehört zur Geschichte dieses ersten deutschen Lieblings bei diesem Turnier.
Der muss mit den Seinen nun am Mittwoch (21 Uhr, ZDF) gegen die Ungarn, die sich beim 1:1 gegen Frankreich mehr als wacker geschlagen haben, punkten, am besten gewinnen. Von Platz eins bis vier ist in Gruppe F für die Deutschen noch alles drin. Dass sie es können, haben sie bewiesen. Ob sie noch einmal können, wird sich zeigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos