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Investieren in kleine Kredithäppchen

Mikrofinanzfonds gelten als attraktive Beimischung im Portfolio, weil sie relativ unabhängig sind von der Konjunktur der globalen Finanzmärkte. Die Ausfallquote ist allerdings hoch

Laos: Mikrofinanzkundinnen zahlen beim Dorfbankenkomitee ein Foto: Thomas Imo/photothek.net/imago

Von Bernward Janzing

Als „marktwirtschaftlich orientierte Form der Entwicklungshilfe“ hat die Verbraucherzentrale Bremen die Mikrofinanzierung einmal beschrieben: Investoren stecken ihr Geld in Mikrofinanzfonds, die dann ihrerseits über Mikrofinanzorganisationen in armen Ländern Kleinstkredite vergeben.

Grundsätzlich gibt es allerdings zwei Blickwinkel, aus denen man das Thema betrachten muss. Denn es werden Kredite für solche Kleinunternehmer bereitgestellt, die bei Banken kein Geld bekommen, weil sie keine Sicherheiten bieten können. Ihnen soll mit dem Mikro­kredit trotzdem die Möglichkeit eröffnet werden, eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen – das ist die positive Sichtweise. Die logische Konsequenz der fehlenden Sicherheiten sind aber hohe Zinsen – und damit ist man bei der anderen Seite; es besteht die Gefahr, dass sich Kreditnehmer in eine Schuldenfalle stürzen.

Durchschnittlich 35 Prozent Zins werden von den Kleinstkreditnehmern verlangt, wie die Verbraucherzentrale Bremen in einer Analyse von 2018 ermittelte. Dieser Zinssatz spiegelt nicht nur die erhöhten Ausfallrisiken wider, sondern auch den hohen Verwaltungsaufwand, weil das kleinteilige Ausreichen der Kredite – oft nur umgerechnet wenige hundert Euro – zu hohen Personalkosten führt. Zumal Kundenberater in den Entwicklungsländern das Geld oft zu den Kunden bringen und es später wieder samt Zinsen abholen müssen.

Die Verbraucherzentrale kommt zu dem Fazit, dass am Ende der Erfolg der Mikrofinanzierungen davon abhänge, ob die Vergabe „mit einer umsichtigen und verantwortungsvollen Beratung einhergeht“, und ob „Kreditnehmer in grundlegenden Fragen von Finanzplanung und Betriebswirtschaft geschult werden“. Ist das der Fall, könnten „Mikrokredite das Leid armer Menschen lindern und der Grundstein für eine selbstbestimmte Existenz sein“.

Mehrere Anbieter vertreiben inzwischen Mikrofinanzfonds und stoßen damit auf „reges Anlegerinteresse“, wie der Branchendienst ECOreporter zu berichten weiß. Der Mikrofinanzfonds der GLS Bank zum Beispiel hat seit seinem Start 2015 enorme Zuflüsse erlebt und verwaltet inzwischen gut 200 Millionen Euro. Ein anderer Fonds, der Dual Return Fund – Vision Microfinance, liegt aktuell bei einem Volumen von gut 620 Millionen Euro.

Mikrofinanzfonds seien bei Anlegern auch deshalb gefragt, weil sie sich in den letzten Jahren als sehr sicher erwiesen hätten, so ECOreporter. Die Anlagen haben den Ruf, relativ unabhängig zu sein von den globalen Finanzmärkten. Sie bieten damit eine Option zur Diversifizierung des Portfolios – was angesichts der aktuellen Risiken durch die ultralockere Geldpolitik, aufgeblähte Zentralbankbilanzen und hohe Staatsschulden offenbar von Investoren geschätzt wird.

Die Anbieter verweisen zugleich gerne auf den humanitären Aspekt ihrer Produkte. Ziel sei es, „jedem Menschen, unabhängig von seinem Lebensort, den Zugang zu gängigen Bankdienstleistungen zu ermöglichen“, erklärt die GLS Bank. Daher finanziere der Fonds Mikrofinanzinstitute in Südosteuropa, Lateinamerika, Asien und Afrika.

Die Basis für Erfolg: Kreditnehmer einer Mikrofinanzierung sollten vor der Vergabe geschult und beraten werden

Unterdessen werden inzwischen auch in Deutschland Gelder unter dem Stichwort Mikrokredit ausgereicht. Das ist aber etwas ganz anderes als die Finanzierungen durch Fonds in Entwicklungsländern; hier handelt es sich nämlich nicht um ein marktwirtschaftliches Kreditgeschäft, sondern um ein staatliches Förderprogramm.

Die Bundesregierung hat im Rahmen einer „Gründungsoffensive“ den „Mikrokreditfonds Deutschland“ ins Leben gerufen. Wobei die Bezeichnung „Mikro“ hier etwas irritierend ist, weil die Summen mitunter gar nicht so gering sind. Je nach Situation kann der Erstkredit bis zu 10.000 Euro betragen. Wird dieser über einen Zeitraum von sechs Monaten störungsfrei getilgt, kann der Kreditnehmer einen zweiten beantragen. Das gesamte Kreditvolumen darf 25.000 Euro nicht übersteigen.

Ziel ist auch hier, „dem Finanzierungsbedarf von Kleinunternehmen zu begegnen, die sonst keinen Zugang zu Kreditfinanzierungen haben“, erklärt das Bundeswirtschaftsministerium. Deswegen sind die Zinsen mit 7,9 Prozent plus einer Abschlussgebühr in Höhe von 100 Euro pro Kredit auch deutlich höher als normal.

Aufgrund der speziellen Klientel ist aber auch die Ausfallquote recht hoch. Laut federführendem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) habe der Kreditausfall vor der Pandemie bei 8,7 Prozent gelegen. Zuletzt sei die Quote zwar auf 5,6 Prozent gesunken, doch die Zahl ist verfälscht, weil im Zuge von Corona für bestehende Kredite die Raten teilweise ausgesetzt wurden. Das Ministerium ist hinsichtlich der Rückzahlung ohnehin bescheiden angesichts des schwierigen Marktsegmentes: „Angestrebt wird eine Ausfallquote, die möglichst nicht höher als 10 Prozent ist.“

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