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Tödliche Sauerei

Schon wieder verbrennen massenhaft Schweine

Verbrennende Schweine – so hätte vor 30 Jahren eine unschuldige Punkband heißen können. Unter den agrarindustriellen Bedingungen, die seither in Deutschland hergestellt wurden, beschreibt es aber sachlich eine fast routinemäßig sich einstellende Havarie: Wenn sich eine Mastanlage entzündet, verbrennen die Schweine, weil keine Fluchtmöglichkeiten für sie eingebaut worden sind.

Am vergangenen Sonntag in Gelting an der Flensburger Börde waren es 1.200 Tiere, die laut AFP „bei einem Großfeuer auf einem Bauernhof ums Leben gekommen“ sind, ein Satz, der total nachrichtlich korrekt klingt, aber doch auch ideologisch aufgeladen ist: Dass es sich um einen Bauernhof gehandelt haben soll und nicht um einen mittelständischen Industriebetrieb mit Schweinefertigungsanlage, wäre noch zu prüfen. Und ob die Säue und Ferkel in dieser das geführt haben, was sich als Leben bezeichnen lässt, darf getrost infrage gestellt werden. Immerhin spricht auch der betroffene Schweineunternehmer nur von Sachschaden, den er erlitten habe. Er soll bei 850.000 Euro liegen: Weil außer dem Stall auch eine Kornhalle samt Inhalt niedergebrannt ist, lässt sich daraus ableiten: Allzu viel ist so ein Schweineleben nicht wert und wird eher der Brandlast zugerechnet. Was auch erklärt, warum auf Rettungswege verzichtet wird.

Denn das verlangen zwar Grund-, Tierschutzgesetz und Landesbauordnungen, aber es wäre teuer: Schon die Römer wussten, wie schwer es ist, panische Schweine aufzuhalten. Sie übergossen sie mit Öl, zündeten sie an und lenkten sie in die Reihen der Gegner: eine verheerende Waffe. Also wird die Prüfung der Brandschutzbestimmungen bei der Genehmigung solcher Anlagen irgendwie umgangen oder ihr Ergebnis ignoriert: In einem besonders krassen Fall von Ende März in Mecklenburg-Vorpommern haben die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Deutsche Tierschutzbund und Greenpeace vergangenen Mittwoch die Staatsanwaltschaft Stralsund eingeschaltet: In Alt Tellin waren am 30. März 56.000 (sechsundfünfzigtausend!) Tiere verbrannt.

Die Anlage war 2010 genehmigt worden – obwohl BUND und An­woh­ne­r*in­nen schon zuvor auf das Fehlen der Brandschutz- und Rettungsmöglichkeiten für die Tiere hingewiesen hatten. Deshalb wurde nicht nur die Schweinebetreiberin, die LFD-Holding, sondern auch die Aufsichts- und Genehmigungsbehörde angezeigt. Benno Schirrmeister

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