Nachwuchssorgen im deutschen Tennis: Der weite Weg in die Top 100

Hinter dem deutschen Tennisspieler Alexander Zverev kommt nicht viel. Warum es so schwer ist, junge Menschen an die Weltspitze heranzuführen.

Tennisspieler Dominik Köpfer spielt eine Vorhand

Umweg übers US-College: Dominik Koepfer Foto: Rebecco Blackwell/ap

BERLIN taz | Bei den letzten Australian Open, dem ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres, war das Jammern über das Abschneiden der Deutschen groß. Von den neun im Hauptfeld Gestarteten überlebte die zweite Runde nur die Nummer eins der deutschen Herren, Alexander Zverev, der es dann immerhin noch bis ins Viertelfinale schaffte.

Vor allem beim Blick auf die frühen Niederlagen bei den Damen kam das Gefühl auf: Da verabschiedet sich gerade eine ganze Generation einst so erfolgreicher Tennisspielerinnen, angeführt von Angelique Kerber, der ehemaligen Nummer eins der Welt. Und die Jüngeren? Warum konnte der Deutsche Tennisbund keinen Nachwuchs backen, der international konkurrenzfähig ist?

Lars Uebel, am Bundesstützpunkt des DTB in Oberhaching für die Gesamtleitung des Tennisnachwuchses zuständig, sagt: „Jedes Land unterliegt Schwankungen.“ Er verweist auf die USA, wo seit Jahren eine Menge Geld in die Nachwuchsförderung gepumpt werde, “aktuell bei den Herren aber kein Spieler unter den ersten 30 der Welt ist.“

Spitzensportler und Spitzensportlerinnen im Tennis hervorzubringen ist extrem schwierig. Tennis ist der weltweit beliebteste Einzelsport, dementsprechend groß ist die internationale Konkurrenz. Dazu kommt, dass man es in diesem Sport erst dann wirklich geschafft hat als Profi, wenn man es unter den ersten 100 in der Weltrangliste steht. „Zwischen der Position 100 und 300 kommt man gerade so über die Runden“, meint Uebel, ab „300 ist es ein Minusgeschäft.“ Uebel: „Tennis ist ein brutaler Sport.“

Tennis ist teuer und exklusiv

Der Ausbildungsleiter weiß, wovon er redet, war einst selbst Profi: „Ich war in der Weltrangliste die Nummer 250 im Einzel. Als Bundesligaspieler im Fußball hätte ich über viele Jahre hinweg gut verdient. Aber als Tennisspieler war ich nur ein okayer nationaler Spieler, der es international nicht geschafft hat.“

Lars Uebel, Stützpunkttrainer

„Ich war die Nummer 250 im Einzel. Als Fußballer hätte ich viele Jahre gut verdient. Im Tennis war ich ein national okayer Spieler, der es international nicht geschafft hat“

Um ein Tennistalent zu entwickeln, muss sehr viel Aufwand betrieben und viel Geld investiert werden. Hat man eine Nachwuchshoffnung zur Hand, soll sie sich im jugendlichen Alter auf nationalen und internationalen Turnieren beweisen. Eine mittlere fünfstellige Summe kostet das im Jahr, gibt der DTB an. Trainer sind in den Kosten noch nicht einberechnet. „Tennis ist einfach teurer und exklusiver als andere Sportarten“, so Uebel.

„Ich denke, dass wir im internationalen Vergleich gar nicht so schlecht dastehen“, sagt er. Sieht aber auch die Probleme. Es gebe beispielsweise kein Schulsystem hierzulande, das den Tennisnachwuchs richtig unterstütze „und die Ausbildung muss besser werden in den Leistungszentren. Technisch und taktisch haben wir Defizite.“ Auch was die Turnierlandschaft angeht, “„gucken wir ganz neidisch nach Italien“, für ihn das Land, das sich in Europa in den letzten Jahren am besten in Sachen Tennis entwickelt hat.

Vorbild Italien

Das sieht auch Marc Raffel so, der mit seiner Sportagentur internationale Tennisevents veranstaltet und Sportler berät. Italien bringe auch deswegen seit einer Weile immer mehr nach oben drängende Spitzenspieler und -spielerinnen hervor, weil dort die Turnierlandschaft so floriere. „Italien ist eine der kommenden Tennisnationen“, glaubt er, „in Deutschland sind wir dagegen fast im Jammertal angekommen.“

Er wird mit seiner Kritik an der Nachwuchsförderung im deutschen Tennis ziemlich schnell deutlich. Die Verbände hierzulande würden kaum Turniere fördern, „für mich ist das ein Skandal.“ Das Problem beginne schon ganz unten bei den Tennisvereinen: „Die sind viel zu oft von und für Senioren organisiert. Früher zählten dort eine gute Herren- oder Jugendmannschaft noch etwas. Heute nicht mehr. In den Vereinen findet Nachwuchsförderung kaum noch statt.“ Viele Talente würden deshalb in die USA ziehen. „Immer mehr deutsche Tennisprofis zwischen 200 und 600 in der Weltrangliste sind College-Studenten. Dominik Koepfer etwa, die Nummer drei in Deutschland. Der hat mit dem DTB wenig zu tun.“

Raffel sagt: „Die wenigen, die noch eine Chance haben in Deutschland, etwas zu erreichen, sind mehr und mehr die Kinder aus finanzstarken Haushalten oder von Tennistrainern.“ Wenn er recht hat, könnte es noch eine Weile dauern, bis im deutschen Tennis eine neue goldene Generation heranwächst.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.