Virtuelle Gewalt ist reale Gewalt

Wenn Hetze nicht ernst genommen wird, verhindert das die Teilhabe an demokratischen Prozessen

Der gesellschaftliche und politische Diskurs ist weitgehend in die digitalen Medien verlagert. Doch kontroverse Debatten enden dort, wo Hass, Hetze und Morddrohungen die Überhand nehmen. „Das betrifft nicht nur die Betroffenen selbst, das trifft auch unsere Demokratie. Wir verlieren Menschen für die Demokratie“, sagte Ricarda Lang, stellvertretende Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen. Sie sprach bei dem Podium „Dissens ohne Dissen“ mit Rechtswissenschaftler Jörn Reinhardt.

Lang sagte, digitale und analoge Gewalt ließen sich nicht trennen. Viele Betroffene hätten Angst, weiterzumachen. Sie selbst habe schon vor Pressekonferenzen gestanden und überlegt: Wie radikal formuliere ich das, wie viel Hate Speech kann ich gerade ertragen?

„Es ist kein Zufall, dass Frauen und Menschen mit Rassismusvorwürfen besonders betroffen sind“, sagte Lang. Oft gehe digitale Gewalt von der rechten Szene aus. „Die Verschärfung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes ist da ein gutes Werkzeug“, sagte Reinhardt. Plattformen müssten Inhalte nicht nur in kurzer Zeit löschen, sondern auch zur Anzeige bringen. Dann würden sie strafrechtlich verfolgt. In der Praxis funktioniere das aber nur mäßig: Wo die Grenzen der Meinungsfreiheit liegen, sei schwer zu definieren. Vielerorts sei die Polizei nicht ausreichend geschult, ausgestattet und erkenne nicht die Bedeutung digitaler Hetze. Lang forderte stärkere Unterstützung für jene, die Hass im Netz bekämpfen, und verwies auf entsprechende Nichtregierungsorganisationen. Tobias Westphal