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dvdeskKinderwunsch und Krise

Yoav (Oded Leopold) und Dan (Udi Persi) haben eigentlich keinen Grund zur Klage: Sie haben gute Jobs und genug Geld, um in einem schönen Apartment mit geschmackvoller Kunst an den Wänden und mit einer noch schöneren Terrasse mit Blick auf Tel Aviv zu wohnen. Sie leben seit 15 Jahren zusammen, Dan ist 38, Yoav ist vier Jahre älter.

Unschuldig genug, auf den ersten Blick, die Szene auf der Vernissage, bei der Yoavs beste Freundin Alma (Ruti Arsasai) – an den Wänden sind als Kunst große Fotos von Yoav zu sehen – den versammelten Freunden eröffnet, sie sei schwanger. Sehr unterschiedlich reagieren Dan und Yoav darauf. Ersterer mit Freude und Empathie, Letzterer nicht.

Bald darauf, auf der schönen Terrasse, eine Essenseinladung, viele schwule Freunde darunter, aber auch Alma. Kulturmilieu, sehr arriviert und saturiert wirkt das alles, die Höhe, auf der die versammelte Gesellschaft über der Stadt hier diniert, ist durchaus als Signal der sozialen Stellung zu nehmen. Das Gespräch kommt auf Kinder, auch unter den schwulen Freunden von Yoav und Dan gibt es manche, die Kinder haben oder wollen, es wird klar, dass auch Dan sich die Gründung einer Kleinfamilie vorstellen könnte: Als dann noch die Frage aufkommt, wer der Sperma-Spender für Alma, die ohne Part­ne­r*in lebt, gewesen sein könnte, Yoav vielleicht, rastet der aus.

Verdirbt den Freunden und Dan erst den Abend, es kommt zum Streit, der zeigt, dass die beiden, wie jedes Paar, in den Jahren des Zusammenseins gelernt haben, die wunden Punkte des anderen sehr sicher zu treffen. Yoav flucht über die kuschlige Bürgerlichkeit, in der sie sich eingerichtet haben. Du blockst mich ab, sagt Dan, immer schon. Schau nur auf das Verhältnis zu deinem Vater.

Das sitzt. Yoavs Vater ist ein Pflegefall, liegt im Sterben, die Beziehung ist, wie der Film nur in Andeutungen zeigt, zerrüttet. Das Ganze eskaliert, bald darauf verlässt Yoav die Wohnung, zieht in ein dunkles Zimmer in einem Keller, lässt das Handy zurück, kappt den Kontakt.

Der Film, das Debüt von Regisseur Yuval ­Hadadi, ist zunächst ein Film über eine schwule Beziehung, die an der Frage des Kinderwunschs aus der Balance gerät. Er konzentriert sich dann aber – auch wenn man Dan bei der Kontaktaufnahme mit einem möglichen neuen Partner sieht – auf Yoav.

Ihm ist man schon, ohne den Registerwechsel gleich zu bemerken, bis in seine Alpträume gefolgt, in dunkle Gassen Tel Avivs, auf denen bedrohliche Männer mit Kapuzen warten. Man bemerkt den Wechsel auch deshalb nicht, weil Hadadi schon zuvor düstere Töne und Bilder eingestreut hat. Der Abstieg in das karge und unwirtliche Kellerloch ist dann albtraumhaft, aber real, so real wie der sehr grenzwertige, brutale Sex, den Yoav bei einem Grindr-Date mit einem Soldaten dort hat.

Yoav ist ein schwuler Mann in der Krise, die über eine Beziehungskrise nach fünfzehn Jahren hinausgeht: Der Kinderwunsch signalisiert das Ende der Freiheit, wie Yoav sie sich vorgestellt hat. Die Falte auf der Stirn, das Sterben des Vaters, das Einrichten der Freunde im mittleren Alter: Damit kommt er nicht klar. „15 ­Years“ kommt als Film, sieht man von den düsteren Einsprengseln ab, so gefällig und wohltemperiert und in Erzählung und Form gemäßigt daher wie das Kulturmilieu, in dem er spielt.

Hadadi unternimmt aber nichts, die Kanten seines alle vor den Kopf stoßenden Protagonisten Yoav zu glätten. Es geht um kindische Flucht, nicht Emanzipation. Yoav hat nichts Besseres vor, er weigert sich nur, erwachsen zu werden. Der Impuls ist verständlich. Hadadi zeigt nur, dass die Rücksichtslosigkeit nirgendwohin führt. Am Ende schlägt eine Tür zu, hinter die der Film seiner Figur dann nicht mehr folgen will oder kann. Ekkehard Knörer

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