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Harte Zeiten für anonyme Quellen

In Armenien haben sich die Hoffnungen auf eine Stärkung der Pressefreiheit nicht erfüllt, vielmehr sind die Medien unter Premier Nikol Paschinjan mit neuen Restriktionen konfrontiert

Sona Martirosyan ist freiberufliche Journalistin in Jerewan. Als Dozentin unterrichtet sie Sozialjournalismus an der Staatlichen Universität Jerewan. Sie nahm 2014 am Osteuropa-Workshop der Panter Stiftung in Berlin teil.

Aus Jerewan Sona Martistosyan

Die Samtene Revolution 2018 in der Südkaukasusrepublik Armenien hatte bei der Internationalen Staatengemeinschaft und einheimischen Ex­per­t*in­nen die Hoffnung geweckt, dass es auch in Sachen Meinungsfreiheit zu Reformen kommen würde. Immerhin hatten die Medien die revolutionären Prozesse direkt beeinflusst. Jedoch sind diese Hoffnungen in den vergangenen drei Jahren verflogen.

Unlängst hat die armenische Staatsmacht eine Reihe von Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht, die in Ex­per­t*in­nen­krei­sen auf massive Kritik gestoßen sind. Der wichtigste Punkt in diesem Prozess ist die Annahme eines „Gesetzes über audiovisuelle Medien“, demzufolge unter der Aufsicht einer staatlichen Kommission Wettbewerbe über die Vergabe von Lizenzen an Privatsender durchgeführt wurden. Das Ergebnis: Mehrere TV-Unternehmen mussten ihre Tätigkeit einstellen.

Eine weitere Änderung, die die Regierung von Nikol Paschinjan vorgeschlagen hat, betrifft Veränderungen und Ergänzungen des „Gesetzes über Massenmedien“. So können künftig Medien verboten werden, die in ihren Veröffentlichungen auf anonyme Quellen verweisen.

Der Vorsitzende des Jerewaner Presseklubs Boris Nawasardjan meint, dass die geplanten Veränderungen die Verbreitung von Desinformation keinesfalls verhindern würden. Gleichzeitig könnten Medien jedoch juristisch schon zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie geprüfte Informationen veröffentlichen, diese aber aus anonymen Quellen stammen.

„Das Absurde ist, dass der Akzent nicht auf dem Inhalt der Information liegt, sondern auf der Quelle. Übrigens sind Quellen vom Gesetz her geschützt. Das bedeutet: Selbst wenn die Information nicht der Wirklichkeit entsprechen sollte, muss der/die Jour­na­lis­t*in die Quelle nicht preisgeben, er oder sie trägt dann selbst die Verantwortung.“ Sollten die Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft worden sein, darf das keine rechtlichen Konsequenzen haben“, sagt Nawasardjan.

Schuman Doidojan, Gründer des Zentrums für freie Information

Unruhe verursachte in Jour­na­lis­t*in­nen­krei­sen auch eine Gesetzesinitiative des Vize-Präsidenten des Parlaments Alen Simonjan, wonach Beleidigung und Verleumdung um das Fünffache erhöhte Entschädigungszahlungen nach sich ziehen – umgerechnet jeweils bis zu 4.700 und 9.300 Euro.

Laut Schuman Doidojan, Gründer des „Zentrums für freie Information“, sind die jüngsten Gesetzesinitiativen nicht nur nicht hilfreich im Kampf gegen Desinformation, sondern sie können auch gefährliche Konsequenzen haben. „Die Staatsmacht versucht mit anstehenden Problemen fertig zu werden, jedoch mit falschen Methoden. Wir haben uns mehrmals gegen die jüngsten Vorstöße ausgesprochen, ja sogar den Präsidenten Armeniens getroffen und ihn gebeten, diese Änderungen nicht zu unterzeichnen. Denn sie werden bestehende Probleme nicht lösen, sondern diese vertiefen und vielschichtiger machen sowie die finanzielle Unabhängigkeit der Medien bedrohen und das Niveau der Selbstzensur erhöhen“, sagt Doidojan.

Laut eines Berichts der Kommission zum Schutz der Meinungsfreiheit aus dem Jahr 2020 ist die Anzahl von Fällen, bei denen Druck auf Medien in Armenien ausgeübt wurde, auf 177 gewachsen (134 Fälle im Jahr 2019). Dabei wurden sechs tätliche Angriffe auf Jour­na­lis­t*in­nen registriert. Auch die Anzahl von Klagen gegen Medien ist weiterhin hoch – 72. 61 und damit die überwiegende Mehrheit davon beziehen sich auf Beleidigung und Verleumdung.

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