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: Joe Biden wiegt stolze vier Kilogramm

Wer zur richtigen Zeit längst Überfälliges sagt, wird schnell zum Namenspatron

Joe Biden wurde ein zweites Mal geboren. Als kerngesundes Kind am Sonntag in der Südkaukasusrepublik Armenien. 52 Zentimeter groß und beeindruckende 4,1 Kilogramm schwer. Die Eltern gaben ihrem Nachwuchs zu Ehren des US-Präsidenten den Namen Joe-Biden, obwohl es ein Mädchen ist. Über diese Nachricht jubelt das ganze Land.

Am Samstag hatte Joe Biden – dieses Mal ist der 46. Präsident der USA gemeint – gemäß seinem Versprechen das Massaker an den Ar­me­nie­r*in­nen von 1915 als Völkermord anerkannt. Der Vertreibung und systematischen Vernichtung durch das Osmanische Reich fielen schätzungsweise bis zu 1,5 Millionen Ar­me­nie­r*in­nen zum Opfer. Der 24. April ist deshalb in Armenien ein Trauertag.

Die Nachricht von dem Baby namens Joe-Biden hat die Nachrichtensatiresendung „ArmComedy“ verbreitet – in etwa das armenische Pendant zur „heute-Show“. Etliche Medien nahmen die Nachricht auf. Dabei ist es sehr wahrscheinlich, dass „ArmComedy“ sich die News als WITZ ausgedacht hat.

Denkbar wäre es dennoch. 2001 erhielten frisch geborene armenische Zwillinge die Vornamen „Jacques“ und „Chirac“ – nach dem damaligen französischen Präsidenten. Da hatte das französische Parlament gerade ein Gesetz zur Anerkennung des Völkermords an den Ar­me­nie­r*in­nen verabschiedet. Als der französische Senat 2012 die Leugnung des Völkermords unter Strafe stellte, wurde ein Kind in Armenien auf den Namen Nicolas Sarkozy getauft. „Ich hatte vorher beschlossen, meinen Sohn nach meinem Vater zu benennen“, sagte der Vater damals. „Im Namen aller Ar­me­nie­r*in­nen danke ich Nicolas Sarkozy. Der Name meines Kindes zeugt davon.“

Der Genozid ist ein Teil der Identität des armenischen Volkes geworden und ­belastet bis heute die Beziehungen zur Türkei. Der Besuch des ­Geno­zid-Mahnmals in Jerewan am 24. April ist für die meisten Familien Pflichtprogramm. Aber die Vergangenheit ist für Armenien ebenso Quelle von Schmerz wie Anlass für Witze, wie die News über Baby Joe Biden zeigt.

2016 hatte der Deutsche Bundestag das Massaker an den Ar­me­nie­r*in­nen ebenfalls als Völkermord anerkannt. Allerdings in Abwesenheit von Bundeskanzlerin Merkel und des damaligen Außenministers Steinmeier. Somit muss zum Glück niemand in Armenien Steinmeier oder Merkel mit Vornamen heißen. Tigran Petrosyan