Angriffe gegen Jour­na­lis­t:in­nen: Gegen die neue Normalität

Angriffe auf Jor­na­lis­t:in­nen haben zugenommen. Um sie besser zu schützen, hat eine Initiative einen Schutzkodex für Medienhäuser erarbeitet.

Kamerequippment das nach einem Angriff auf Journalist:innen auf dem Boden liegt

Szene nach einem Angriff auf Journais­t:innen im Mai 2020 in Berlin Foto: Christoph Soeder/dpa

Die Bedrohungslage für Jour­na­lis­t:in­nen in Deutschland hat sich im vergangenen Jahr besonders verschlechtert. 252 Angriffe auf Jour­na­lis­t:in­nen habe es im Jahr 2020 gegeben. Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen hervor. Die Dunkelziffer, so schätzen es Journalist:innenverbände, dürfte höher liegen. Das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) hielt außerdem bereits im März 2020 fest, dass Drohungen gegen Jour­na­lis­t:in­nen „in Deutschland das neue Normal“ seien.

Um darauf zu reagieren, hat ein Bündnis von Jour­na­lis­t:in­nen­or­ga­ni­sa­tionen, Gewerkschaften und Beratungseinrichtungen Standards entwickelt und diese in einem Schutzkodex für Medienhäuser formuliert, der am Dienstag vorgestellt wurde. Medien wie Zeit, Zeit Online, Spiegel, Frankfurter Rundschau, dpa und auch die taz haben sich dieser Initiative bereits angeschlossen. Weitere Medien, so heißt es, sollen folgen.

Die im Kodex festgehaltenen Maßnahmen umfassen juristische, psychologische und finanzielle Unterstützung von Jour­na­lis­t:innen. Gelten sollen diese für feste Mit­ar­bei­te­r:in­nen ebenso wie für freie Jour­na­list:in­nen. Letztere sind bislang besonders gefährdet, wenn sie von Demonstrationen berichten.

Der Maßnahmenkatalog umfasst Leistungen wie die Kostenübernahme von Personenschutz und Sicherheitspersonal bei Dreharbeiten sowie Unterstützung bei der Auskunftssperre im Melderegister. Zentral soll aber nicht nur der Schutz auf der Straße sein, sondern auch im Netz. Die Initiative schlägt aus diesem Grund vor, zentrale Ansprechpersonen in Redaktionen zu installieren, an die sich Freie und Festangestellte wenden können, sollten sie Hassmails und/oder Drohungen erhalten. Dies soll verhindern, dass Betroffene Hassnachrichten selbst lesen müssen. Hausinterne Justiziare sollen diese stattdessen regelmäßig auf ihre strafrechtliche Relevanz überprüfen, heißt es in dem Kodex.

65 körperliche Übergriffe in 2020

„Der Kodex ist auch deshalb so wichtig, weil Strafverfolgungsbehörden die angegriffenen Jour­na­lis­t*in­nen allzu oft im Stich lassen“, sagt Franz Zobel vom VBRG e. V. und Projektkoordinator der Thüringer Opferberatung ezra. Insbe­sondere für Frauen und Jour­na­lis­t:in­nen of Color sei in den vergangenen Jahren der Druck durch Hass und Angriffe gestiegen, sagt Thembi Wolf, Vorsitzende der Neuen deutschen Medienmacher*innen. Immer öfter kommt es zu Vorfällen, in denen die Polizei versagt, Jour­na­lis­t:in­nen bei Demonstrationen zu schützen, und sie stattdessen sogar behindert.

Deshalb liege die Verantwortung auch bei den Behörden, allen voran den Innenministerien, Schutzkonzepte zu erarbeiten, heißt es bei der Vorstellung des Schutzkodex. Erst in dieser Woche hatte Reporter ohne Grenzen (ROG) Deutschland in seiner diesjährigen „Rangliste der Pressefreiheit“ von Platz 11 auf 13 herabgestuft. Die Organisation stufte außerdem die Lage der Pressefreiheit in Deutschland nun von „gut“ auf nur noch „zufriedenstellend“ herab.

Grund dafür sind allen voran die gestiegenen Übergriffe auf Jour­na­lis­t:in­nen im Umfeld der sogenannten Querdenker-Demonstrationen. Dort kam es in der Vergangenheit zu massiven pressefeindlichen Stimmungen. Die Vorfälle reichen von Drohungen, verbalen Angriffen, Buhrufen bis hin zu körperlicher Gewalt.

Reporter ohne Grenzen hat die Zahl der körperlichen Übergriffe 2020 mit 65 verifizierten Fällen so hoch wie nie zuvor seit Beginn der Erfassung geschätzt. 2019 zählte ROG noch 13 bestätigte tätliche Angriffe auf Medien­schaffende, 2018 waren es 22.

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