: Wie ein Museum zweiter Klasse
Zwar macht der Senat dem Museum Elbinsel Wilhelmsburg erneut eine Zusage für die Sanierung, verzichtet aber freiwillig auf Millionen vom Bund. Der Verein ist enttäuscht
Von Darijana Hahn
Es schien alles so hoffnungsfroh, als Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) im Dezember 2019 das große Schild aufbaute. An der Hofauffahrt zum Museum Elbinsel Wilhelmsburg, untergebracht in dem ehrwürdigen Amtshaus von 1724, wird die „Generalsanierung“ des Museums verkündet. „Wir sollten 9,9 Millionen Euro bekommen“, sagt Gerd Nitzsche, Erster Vorsitzender des Vereins, der das Museum ehrenamtlich betreibt.
Nach eineinviertel Jahren der vielfältigen Prüfungen seitens der Stadt wurde die Zusage zur Generalsanierung nun zwar endlich bekräftigt. Für den Verein ist sie jedoch eine Enttäuschung, weil die zugesagten Gelder über ein Drittel geschrumpft sind. Von zugesagten 9,9 Millionen stehen nun nur 5,9 Millionen Euro zur Verfügung, weil die vermeintlich bewilligten Bundesgelder von 1,8 Millionen Euro nicht abgefordert und so von Hamburg auch nicht gegenfinanziert werden.
„Nun können wir den Aufzug nicht bauen, der für unsere Besucher_innen doch so wichtig wäre“, sagt Frank Kibat, zuständig im Verein für die Öffentlichkeitsarbeit. Geplant war, wie noch auf dem besagten Schild abgebildet, ein gläserner Fahrstuhlturm, der dem fast 300-jährigen Amtshaus eine moderne Note gegeben hätte. Für den Verein ist der Aufzug so wichtig, weil im ersten Stock die geplante Ausstellung zur Sturmflut realisiert werden soll, zu der auch viele Menschen erwartet werden, die vielleicht nicht mehr so mobil sind.
Diese Sturmflutausstellung ist ein Teil der inhaltlichen Erneuerung des Museums, das seit 1907 existiert und das seit über 50 Jahren in dem historischen Gebäude im ältesten Teil von Wilhelmsburg – neben der Kreuzkirche in Kirchdorf – untergebracht ist. Milchkannen, Fuhrwerke und Kähne erinnern an die bäuerliche Tradition der Elbinsel, die bereits 1907 von der Industrialisierung geprägt war. Die Sammlung wurde bis Ende 2019 auf Anfrage und immer sonntags während der Sommerzeit – unter anderem bei Kaffee und Kuchen – gezeigt.
„Kultursenator Brosda bezeichnete uns bei einem Videotreffen als saisonales Nachbarschaftsmuseum“, sagt Kibat immer noch etwas gekränkt. Er weist darauf hin, dass das Museum nur deswegen nicht auch im Winter auf hätte, weil bislang das Gebäude nicht beheizt werden könne. Eine Heizungsanlage für das gesamte, zweistöckige Gebäude ist nun Teil der geplanten Sanierung.
Neue, denkmalgetreue Kreuzstockfenster sowie die Sanierung der Lehmwellendecken, der Gewölbe und der historischen Dielenböden sind ebenso vorgesehen. Abschied nehmen muss der Verein von der Idee, das Nebengebäude um ein Stockwerk zu erhöhen, um dort die Bibliothek unterzubringen.
Trotz Abstrichen sind sich Kibat und Nitzsche sicher, dass das Museum nach der Sanierung „was ganz anderes ist als jetzt“. Nitzsche ist überzeugt davon, dass ohne Erneuerung in „drei Jahren hier keiner mehr gekommen wär’, um hier Kaffee zu trinken“. Zusammen mit externen Experten soll die bisherige Dauerausstellung moderner präsentiert werden – durch interaktive, digitale Elemente und großzügigere Rundgänge. Die Ausstellung zur Sturmflut soll ein Viertel der gesamten Ausstellungsfläche beanspruchen und dazu beitragen, das Museum auch überregional bedeutender zu machen. So sehen das jedenfalls Nitzsche und Kibat, die nicht verstehen können, warum Hamburg auf die bereits bewilligten 1,8 Millionen Bundesgelder verzichtet.
„Für die vom Bund in Aussicht gestellte Förderung wäre unter anderem die Tragfähigkeit eines ganzjährig betriebenen, hauptamtlichen Ausstellungs- und Museumsbetriebs über mindestens ein Vierteljahrhundert darzustellen gewesen“, heißt es aus der Finanzbehörde, die im ständigen Austausch mit der beteiligten Kulturbehörde und dem Bezirksamt Mitte steht.
Nach „zahlreichen notwendigen Gesprächen“ im Laufe des letzten Jahres konnte im Spätsommer“, wie Pressesprecherin Imme Mäder mitteilt, „der Bezirk Mitte als Träger für das Museum gewonnen werden“. Damit sei eine „regionale Lösung entwickelt, mit der der regionale Charme des Museums erhalten bleiben kann“.
So tut Bezirksamtsleiter Falko Droßmann kund, dass er sich „sehr auf die Wiedereröffnung und den weiteren Betrieb dieses 'kleinen Juwels’im historischen Herzen Wilhelmsburgs“ freue.
Wann diese Eröffnung aber sein wird und wie das Betreiberkonzept konkret aussehen wird, ist noch vollkommen unklar. Was ursprünglich für das 60-jährige Jubiläum der Sturmflut am 17. Februar 2022 geplant war, ist in weite Ferne gerückt. „Derzeit können keine Angaben zum Sanierungsbeginn gemacht werden“, lässt die Finanzbehörde wissen. Während Kibat und Nitzsche durchs Museum gehen und sich Lösungen überlegen, sagen sie immer wieder: „Wir sitzen auf gepackten Koffern.“
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