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„Ein klimaneutrales Bauen ist nicht möglich“

Gegen das Mantra vom „Bauen, Bauen, Bauen“ hat Daniel Fuhrhop in einer Streitschrift ein „Verbietet das Bauen“ gesetzt. Stattdessen müsste der vorhandene Altbau besser genutzt werden

Daniel Fuhrhop

53, arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Ökologische Ökonomie an der Universität Oldenburg. Zuvor leitete er einen Architekturverlag. 2020 erschien die Neuauflage seiner Streitschrift „Verbietet das Bauen!“ im Oekom Verlag. Er kandidiert 2021 als Oberbürgermeister von Oldenburg.

Interview Jonas Wahmkow

taz: Herr Fuhrhop, wie ernst ist Ihre Forderung „Verbietet das Bauen“ gemeint? Bei all den Diskussionen um den Mietendeckel und Enteignung wird die Notwendigkeit von Neubau von keiner Seite angezweifelt.

Daniel Fuhrhop: Diesen Buchtitel kann man polemisch nennen. Aber er ist eine Reaktion auf die Parole „Bauen, Bauen, Bauen“, die von vielen Politikern ständig wiederholt wird und die genauso radikal übertrieben ist. Denn es leuchtet wohl allen ein, dass wir nicht ewig Flächen versiegeln können. Dazu kommt die Klimakrise, 40 Prozent der Treibhausgase entstehen aus Bau und Betrieb von Gebäuden. Also sollte man weder bauen um jeden Preis und natürlich auch nicht einfach das Bauen verbieten. Aber wir müssen sehr gut überlegen, ob und was wir bauen.

Sicher, die Sinnhaftigkeit mancher Bürokomplexe und Malls ist zweifelhaft, aber angesichts der steigenden Bevölkerungszahlen braucht Berlin doch dringend neue Wohnungen.

Der Blick auf die letzten Jahre zeigt aber, dass trotz massiven Neubaus die Mieten gestiegen sind und die Kaufpreise auch. Wenn man sich die Zahlen genau anschaut, sieht man, dass die Zeiten des großen Bevölkerungswachstums vorbei sind. 2018 stieg die Einwohnerzahl noch um 36.000, 2019 dann nur noch um 20.000 und im vergangenen Jahr gar nicht mehr. Gleichzeitig aber werden jährlich Wohnungen mit etwa Platz für 40.000 Menschen errichtet.

Sie sprechen ein Paradox an. Denn trotz Wohnungsmangels gibt es in Berlin mehr Wohnraumfläche pro Kopf als jemals zuvor. Wie ist das zu erklären?

Wir haben hier andere Ursachen, etwa die Behandlung von Wohnraum als Anlageobjekt. Es gibt ein Phänomen, was ich Investification nenne, also Wohnraum entsteht für das Investment. Es gibt eine Untersuchung, der zufolge in Manhattan 80.000 Wohnungen dort nur als Anlageobjekt dienen und nicht genutzt werden. Wir haben leider keine Zahlen für Berlin, aber auch hier gibt es diese Tendenz, dass eine Zweit- oder Drittwohnung erworben und faktisch nicht genutzt wird.

Wie könnte der bestehende Wohnraum gerechter verteilt werden?

Es wäre ein politisches ­Instrument, Zweit- und Drittwohnungen zu untersagen. Darüber hinaus gibt es eine große Anzahl von Instrumenten, Wohnraum anders zu ­nutzen.

Zum Beispiel?

Ein Instrument wäre das Vermitteln von Untermietern nach dem Modell „Wohnen für Hilfe“. Da wohnen junge Menschen bei Älteren und zahlen keine normale Untermiete, sondern helfen im Haushalt und im Garten. Das wird in Großbritannien und Belgien schon professionell umgesetzt. Allein in Brüssel werden dadurch jedes Jahr über 300 Wohnpaare zusammengeführt. Übertragen auf Berlin hieße das, dass pro Jahr allein durch dieses Modell 1.000 junge Menschen unterkommen könnten, für die keine Wohnheime gebaut werden müssten.

Was ist mit ökologischem Bauen? Können wir durch ­Recycling der Baumaterialien und Verwendung von Holz nicht „sorgenfreies Bauen“ realisieren?

Ich würde mir auch mehr Holzbau wünschen, weil dadurch die Treibhausschäden durch Beton vermieden werden. Allerdings sollte man sich keine Illusionen machen – ein klimaneutrales Bauen ist nicht möglich, denn der einmalige Aufwand, zum Beispiel durch Glas und Metalle und den Bauprozess selbst, belastet immer das Klima. Das heißt, insgesamt ist es sinnvoll, weniger zu bauen und vorhandenen Altbau zu nutzen, aber wenn wir dann doch noch neubauen, dann mit besseren Materialien wie Holz.

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