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„Ein Gespräch kann Wunder bewirken“

Foto: privat

Derek Nordt56, ist Koch auf der „DES Bergedorf“ im Museumshafen Ovelgönne und arbeitet momentan beim Sucht-Telefon der Guttempler.

Interview Emmy Thume

taz: Herr Nordt, wie lange waren Sie selbst alkoholsüchtig?

Derek Nordt: Sehr lange. Ich habe schon mit zwölf angefangen täglich zu trinken. Das hängt damit zusammen, dass ich aus der Gastronomie komme, das heißt, dass es für mich auch immer zugänglich war. Aber ich bin mehrfach abhängig. Mit vierzehn kam Cannabis, mit fünfzehn Kokain, mit sechzehn war ich heroinsüchtig. Das Ganze hat mich begleitet, bis ich 36 war. Mehr oder weniger stark.

Wie konnten Sie Ihre Sucht loswerden?

Ich habe mich immer gewehrt, Psychotherapien zu machen, weil ich gesagt habe: Das, was in mir passiert, gehört nur mir. Aber als ich irgendwann so verzweifelt war, dass ich nicht mehr wusste, was ich tun soll, habe ich mich auf eine Psychotherapie eingelassen und da ist der Knoten geplatzt, was die illegalen Drogen anbelangt. Mit Alkohol hat das deutlich länger gedauert.

Sie arbeiten jetzt beim Sucht-Telefon der Guttempler. Wie ist es dazu gekommen?

Für das Nottelefon wurden Moderatoren gesucht. Ich leite seit fünfzehn Jahren eine Selbsthilfegruppe im Guttemplerhaus Altona und als dieser Aufruf kam, habe ich gesagt: Mensch, das kann man ja mal machen. Das ist einmal im Monat eine 24-Stunden-Schicht, da habe ich mich zur Ausbildung freiwillig gemeldet.

Wie viele Menschen rufen bei der Nummer durchschnittlich an?

Im Moment explodiert das. Am Anfang der Pandemie waren das so vier Anrufe pro Tag, mittlerweile sind es zehn, zwölf Anrufe. Und so ein Anruf kann zwischen einer halben und zwei Stunden dauern, also sind zwölf Anrufe am Tag sehr viel.

Was sind die häufigsten Anliegen der Menschen, die dort anrufen?

Alkoholiker, die lange trocken sind und keine Selbsthilfegruppen mehr besuchen können, weil die Präsenzgruppen geschlossen haben, und die dann in ihrer Einsamkeit wieder zur Flasche greifen. Und wahnsinnig viele Angehörige.

Wieso wird das Sucht-Telefon während der Pandemie stärker nachgefragt als sonst?

Das Nottelefon Sucht der Guttempler steht rund um die Uhr zur Verfügung unter ☎0180 / 36 52 40 7 (9 Cent pro Minute aus dem deutschen Festnetz, Mobilfunk abweichend)

Die anderen Hilfesysteme greifen nicht mehr. Normalerweise gehen die Menschen zu Selbsthilfegruppen, das hält sie stabil. Fällt das weg, sitzen sie zu Hause und lassen den Kopf arbeiten. Wenn der Kopf bei Suchtkranken alleine arbeitet, kommt am Ende meistens Sucht raus.

Was raten Sie Menschen, um während der Pandemie nicht in eine Sucht zu verfallen?

Das größte Problem ist Einsamkeit. Dagegen hilft im Prinzip nichts außer Gesprächen. Menschen treffen ist gerade schwierig, aber kommunizieren nicht. Ein Gespräch am Tag kann schon Wunder bewirken. Man verliert sich nicht in eigenen Gedanken oder verfällt in Selbstmitleid.

Eigentlich arbeiten Sie als Koch auf der „DES Bergedorf“ im Museumshafen. Was vermissen Sie daran?

Den Kontakt zum Menschen, den Trubel, den Stress. Ich bin Koch, ich bin ein Stress-Junkie. Und wenn ich den nicht habe, werde ich sehr unruhig. Auch meine Sucht ist ja nicht weg. Die ist immer direkt um die Ecke und auch ich muss sehr vorsichtig sein, dass ich mich nicht in Strukturen bewege, die nicht gut für mich sind. Am meisten vermisse ich die Menschen.

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