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Linker Streit über Sexarbeit

Auf dem Linken-Parteitag am Wochenende wird über das Sexkauf-Verbot nach schwedischem Vorbild diskutiert. Auch die Bremer CDU interessiert sich für das Thema

Von Eiken Bruhn

Nicht nur auf Bundesebene, auch in Bremen flammt die Debatte um das sogenannte Sexkaufverbot „nach nordischem Vorbild“ wieder neu auf. Die Linke wird am Wochenende auf ihrem Parteitag darüber streiten, und die CDU tastet sich mit einer Anfrage an den Senat an das Thema heran. Es geht darum, ob in Deutschland wie in Schweden Prostitution verboten werden soll und diejenigen bestraft werden, die die Dienstleistung illegalerweise in Anspruch nehmen. In der Regel sind dies Männer.

Be­für­wor­te­r*in­nen und Geg­ne­r*in­nen dieses Gesetzes finden sich in nahezu allen Parteien. So hat jetzt gerade eine Gruppe in der Bremer Linken einen Antrag für den Landesparteitag am Wochenende vorgelegt, der die Mitglieder auffordert, das Sexkaufverbot explizit abzulehnen.

Unterschrieben haben ihn unter anderem Doris Achelwilm, die gleichstellungspolitische Sprecherin der Linken im Deutschen Bundestag, ihre Kollegin in der Bremischen Bürgerschaft Maja Tegeler sowie drei von vier Fraktionsvorsitzenden: Nelson Janßen, Sofia Leonidakis und Miriam Strunge. „Das von einigen Organisationen und Gruppen geforderte Sexkaufverbot unter dem Schlagwort ‚Nordisches Modell‘ mag dazu beitragen, eine kritischere Sicht auf Sexarbeit in der Gesellschaft zu erzeugen“, heißt es in dem Antrag. „Den Sex­ar­bei­te­r:in­nen hilft es aber erfahrungsgemäß in den allermeisten Fällen nicht. Es verdrängt die Sexarbeit nur in noch unsicherere Verhältnisse und in die Unsichtbarkeit.“ Deshalb müsse weiter daran gearbeitet werden, den Schutz und die Arbeitsbedingungen der Prostituierten zu verbessern.

Dagegen halten wird beim Parteitag wahrscheinlich eine Minderheit, die Prostitution als Ausbeutung von Frauen ablehnen und verbieten will. Den Begriff Sexarbeit nutzen sie nicht, weil er aus ihrer Sicht die tatsächlichen Verhältnisse verharmlost. Prostitution sei nicht mit anderen Berufen vergleichbar.

Einen Gegenantrag gibt es aber bisher nicht – dafür drei Anträge, mit denen die linke Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt dazu aufgefordert werden soll, ein Bordell in Bremen zu schließen beziehungsweise ein zweites gar nicht erst zu eröffnen. Alle kommen von Mitgliedern des Kreisverbands links der Weser, einer Art innerparteilicher Fundamentalopposition.

Vordergründig geht es dabei um Verbindungen der Betreiber*innen zur organisierten Kriminalität: namentlich dem wegen Zuhälterei, schweren Menschenhandels und Ausbeutung von Prostituierten verurteilten Delmenhorster Hells Angels Chef Andree Pröhl (taz berichtete). Tatsächlich geht es aber um eine grundsätzliche Einstellung zu Prostitution, wie die Begründungstexte zeigen.

Dabei sparen die An­trag­stel­le­r*in­nen nicht mit drastischen Formulierungen. „Diese Frauen werden meist aus armen Ländern in Osteuropa und Afrika herangekarrt und als ‚Frischfleisch‘ von Bordell zu Bordell verladen“, heißt es in einem. Und weiter: „Sie werden vergewaltigt und gefoltert und sind total ausgeliefert.“

„Es verdrängt die Sexarbeit nur in noch unsicherere Verhältnisse und die Unsichtbarkeit“

Politiker*innen der Linken

Nach dieser Lesart sind alle Prostituierten wehrlose Opfer: „Circa 85 Prozent haben sich diese ‚Arbeit‘ nicht ausgesucht“, steht in einem anderen Antrag. „Oft wurden sie unter falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt, stammen aus armen Ländern, aus bildungsfernen Milieus, sind der Sprache nicht mächtig und dadurch sehr hilflos.“ Der Diskurs gegen ein Sexkaufverbot hingegen werde von „einer Minderheit bestimmt, die in und durch die Prostitution gut leben können“.

Genauer wissen will das jetzt die Bremer CDU-Fraktion, die einen langen Fragenkatalog zur Prostitution in Bremen an den Senat geschickt hat. Sie möchte herausfinden, welche Auswirkungen das 2017 geänderte Prostituiertenschutzgesetz auf die Lage der Sex­ar­bei­te­r*in­nen im Land Bremen hatte. Und sie fragt an, wie der Senat zum Sexkaufverbot steht.

Eindeutig positioniert hat sich dazu auf Bundesebene die Frauen-Union der CDU: Sie will das nordische Modell.

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