: Radfahren trotz Handicaps
Die Firma „Thera Mobile“ verkauft in Bremen und Hamburg Dreiräder für Erwachsene.Mit deren Rädern können körperlich beeinträchtigte Menschen mobil und aktiv bleiben
Von Joachim Göres
Ein Rad vorn, zwei Räder hinten – so sieht ein Dreirad aus. Mit so einem Rad bleiben Menschen mobil, die zum Beispiel nach einem Schlaganfall oder wegen Parkinson nicht mehr mit einem Zweirad unterwegs sein können. „Wer nach einem Schlaganfall auf einer Seite gelähmt ist, für den können wir beim Dreirad Gangschaltung, Klingel und die Bedienung des Motors auf der stärkeren Seite anbringen“, sagt Florian Willms. Er arbeitet bei „Thera Mobile“ in Bremen, nach eigenen Angaben der größte Laden für Therapieräder in Europa.
An diesem Freitag besucht Willms Familie Koch in Sülze im Landkreis Celle. In seinem Transporter hat er mehrere Dreiräder zum Ausprobieren für Tochter Swantje dabei. Die 23-Jährige, die im Rollstuhl sitzt und bei ihren Eltern wohnt, hat vor rund zehn Jahren ein Dreirad bekommen, das nicht mehr optimal läuft: Das Fahren ohne Gangschaltung ist beschwerlich, außerdem droht das Dreirad bei Touren durch unebenes Gelände zu kippen.
Die neuen Modelle, die Koch testet, haben im Vergleich mit ihrem bisherigen Rad alle kleinere Räder und einen niedrigeren Einstieg, der Sitz ist tiefer angebracht. Die Kippgefahr ist deutlich geringer. Die Fahrerin tritt mit den Beinen nach vorn und nicht wie bisher nach unten. „Das ist ein ganz anderes Gefühl beim Fahren“, sagt Koch nach den ersten Proberunden. Ein Liegerad, bei dem mit den Händen links und rechts neben dem Körper gelenkt wird, scheidet gleich aus, weil der Sitz zu klein ist. Ein anderes Modell trägt wegen des langen Lenkers den Namen „Easy Rider“.
Die Dreiradsitze mit hoher Lehne erinnern eher an Sessel als an Fahrradsitze. Willms stellt Lenker und Sitz neu ein, um die optimale Tretposition für Koch zu finden, beobachtet sie beim Fahren, fragt nach dem Fahrgefühl. Er demonstriert, wie durch Knopfdruck der Motor zur Unterstützung beim Anfahren genutzt werden kann. „Kann man damit auch rückwärts fahren?“, will Koch wissen – für sie ein wichtiges Kriterium, denn Dreiräder haben einen großen Wendekreis, sodass das Rückwärtsfahren an engen Stellen ein Vorteil ist.
Swantje Koch, Kundin
Soll das Dreirad einen Motor haben oder nicht, wird sich die Krankenkasse an den Kosten beteiligen, wie teuer darf es maximal werden? Das sind Fragen, die Willms mit Kochs Eltern bespricht. Die haben sich 5.000 Euro als Obergrenze gesetzt. Doch die Modelle, die Swantje Koch ausprobiert, kosten alle mehr als 6.000 Euro. Einige haben aber eine Hilfsmittelverordnungsnummer – eine Voraussetzung dafür, dass Krankenkassen beim Vorliegen einer ärztlichen Verordnung Kosten übernehmen. Nach den bisherigen Erfahrungen vermuten die Eltern allerdings, dass ihre Krankenkasse nichts zahlen wird.
Die Beratung bei den Kochs dauert eineinhalb Stunden. „Man muss sich Zeit nehmen“, sagt „Thera Mobile“-Gründer Thomas Uhe. „Gerade ältere Kunden, die nur ein klassisches Fahrrad kennen, müssen sich umstellen. Sie sind gewohnt, mit dem Körper zu lenken und sich in die Richtung zu beugen, in die sie wollen. Das funktioniert auf dem Dreirad nicht.“ Vor allem Modelle mit Motor würden stark nachgefragt, im Frühling seien auch Dreirad-Doppelsitzer begehrt; mit ihnen könnten blinde oder demente Menschen mit einer Begleitperson Ausflüge machen. Thera Mobile bietet in den Läden in Bremen und Hamburg Räder von Firmen aus den Niederlanden, Dänemark und Deutschland an.
Swantje Koch hat mittlerweile bei Thera Mobile in Bremen ein Vorführmodell getestet, das erheblich günstiger als ein neues Dreirad ist. Sie freut sich darauf, es bei einer längeren Radtour mit ihrem Vater einzuweihen: „Radfahren macht Spaß!“
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