Fußball-Personalien: Die Hektikkicker

Die Wechsel von Marco Rose und Fredi Bobic zeigen: Das Setzen auf schnellen Erfolg ist ein Fehler. Aber das System Profifußball verlangt danach.

Zwei Fußballer im Kopfballduell

Unverdächtige Karriereanfänge: Marco Rose (FSV Mainz, li.) und Fredi Bobic (Hertha BSC) im Jahr 2004 Foto: imago/Höhne

Hier geht es heute um Fredi Bobic und Marco Rose, die Personalien der Woche. Der eine verlässt als Sportdirektor Eintracht Frankfurt, vermutlich zu Hertha BSC. Der andere verlässt als Cheftrainer Borussia Mönchengladbach, sicher zu Borussia Dortmund.

Gemeinsam ist beiden, dass sie sich von etwas, das sie erfolgreich aufgebaut haben, verabschieden, um bei Klubs anzuheuern, die in dieser Saison kaum jemand als erfolgreich aufgebautes Projekt bezeichnen würden. Dortmund hat sich von dem langfristig arbeitenden Trainer Lucien Favre getrennt, um mit einer Trainer-Interims-Lösung irgendwie noch die finanziell scheinbar überlebenswichtige Champions League zu erreichen. Hertha hat nach peinlich lautem Getöse, man wolle ein Big-City-Club sein, mit Pal Dardai genau den Trainer zurückgeholt, den man einst weggeschickt hatte, weil man doch ach so große Pläne hatte.

Dennoch sind weder Dortmund noch Hertha zurück auf Start. Keiner von beiden Klubs signalisiert dem neuen Cheftrainer oder neuen Sportdirektor, das diese nach den jüngsten Anläufen nun in Ruhe das tun könnten, was sie in den vergangenen Jahren bei ihren alten Klubs bewiesen haben: Dass sie, wenn man sie in Ruhe arbeiten lässt, ein gutes Aufbauwerk hinlegen können. Nein, die neuen Klubs von Rose und Bobic erwarten genau das von ihren neuen leitenden Angestellten, wofür diese nicht unbedingt stehen: den schnellen und den sicheren Erfolg.

Bloß nicht den Ertrag der Arbeit ernten!

Das irritiert auf Seiten der Klubführungen besonders deswegen, weil keiner in Zeitnot gehandelt hat: Sowohl BVB als auch Hertha hätten in aller Ruhe den Markt sondieren, mit potenziellen Bewerbern gründliche Gespräche führen können.

Das Paradoxon heißt: Alle haben Zeit, also handeln alle überhastet.

Aber auch auf Seiten von Rose und Bobic irritiert das, denn auch die haben beide ohne Not gehandelt. Eigentlich noch schlimmer: Sie verlassen beide ihre Klubs in dem Moment, in dem der Lohn für die bisherige Arbeit eingefahren werden könnte. Mönchengladbach war (bis zu dem Moment, als Rose den Wechsel verkündete) dabei, eine sichere Größe unter den Topklubs der Bundesliga zu werden. Und Eintracht Frankfurt spielt noch eine sensationell gute Saison wie seit Stepanovic nicht mehr. Eigentlich sollte hier wie dort jeder Verantwortliche sich um das bemühen, was gemein Qualitätssicherung heißt.

Tut aber niemand. Das Paradoxon heißt: Alle haben Zeit, also handeln alle überhastet.

Der Ruhe, die Klubs, Trainer und Sportdirektor eigentlich haben sollten, steht der subjektiv wahrgenommene Zwang entgegen, jetzt, sofort und subito ganz viel einsacken zu wollen. Das ist gar kein individuelles Manko von Rose oder Bobic, kein Ausweis doofer Unternehmensführung bei Dortmund oder Hertha, sondern es verweist auf den Zustand des Berufsfußballs in Deutschland. Die langfristige Arbeit wird nur auf der Verlautbarungsebene geschätzt, werden mal ein paar Spiele in Folge verloren, geraten die meist viel zu ambitioniert formulierten Saisonziele in Gefahr, glaubt man handeln zu müssen.

Dass solches Denken falsch ist, wissen eigentlich alle: Gerade die Arbeit von Rose und Sportdirektor Max Eberl bei Mönchengladbach und von Bobic und Cheftrainer Adi Hütter zeigt, wie viel Ertrag möglich ist, wenn man kompentente Leute erst einmal arbeiten lässt. Ähnliche Beweise können derzeit bei Union Berlin und schon recht lange beim SC Freiburg besichtigt werden.

Aber nur, weil man weiß, dass es falsch ist, heißt im Profifußball ja nicht, dass man anders handelt. Der Druck, auf jeden Fall immer ganz, ganz oben dabei sein müssen, ist offensichtlich zu groß.

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