Vermögensteuer? Ja klar. Äh, nein. Ich mein: jein

Die Grünen diskutieren, welche Rolle das Thema Ungleichheit im Wahlkampf spielen soll. Habeck will die Vermögensteuer mit Bildung verknüpfen. SPD und Linke werden konkreter

Wollen etwa auch die Grünen den Reichen an ihre Ferraris? Foto: Fo­to:­ Karsten Thielker

Von Ulrich Schulte

Die Grünen diskutieren die Frage, welche Rolle die Spaltung in Arm und Reich im Wahlkampf spielen soll – und unterschiedliche Ansätze zur Vermögensteuer. Parteichef Robert Habeck würde eine solche gerne mit Investitionen in Bildung verknüpfen. Vermögensbezogene Steuern seien Ländersteuern, sagte Habeck auf taz-Nachfrage am Montag. „Bildungsausgaben sind ebenfalls Ländersache.“ Entsprechend gebe es eine Verbindung.

Habeck argumentierte nicht nur strukturell, sondern auch inhaltlich. „Wir wissen, dass der Bildungsabschluss maßgeblichen Einfluss darauf hat, wie ökonomisch erfolgreich ein Leben sein kann.“ Entsprechend, sagte der Grünen-Chef, wäre die Besteuerung von sehr hohen Vermögen „ein Beitrag zur gerechten Finanzierung im Bildungsbereich.“

Ob die Grünen-Spitze das Thema im Wahlkampf hochzieht, ist allerdings eine andere Frage. Bei Ungleichheit schlagen zwei Herzen in der grünen Brust. Kaum ein Grüner würde abstreiten, dass die Spaltung in Arm und Reich in Deutschland skandalös ist. Die oberen 10 Prozent besitzen laut DIW gut zwei Drittel des Nettovermögens. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung besitzt fast nichts.

Eine ökologisch orientierte Partei, die Fleisch verteuern will und über explodierende Mieten klagt, darf das eigentlich nicht ignorieren. Aber die Grünen haben im Wahlkampf von 2013 schmerzhaft erfahren, wie stark die Widerstände gegen linke Steuerpolitik sind. Konservative Zeitungen, der DIHK und der Verband der Familienunternehmer prügelten auf sie ein und diffamieren selbst maßvolle Steuern als Vorboten des Sozialismus.

Deshalb dimmte die Grünen-Spitze das Thema in der Vergangenheit herunter.

Doch gegen diesen Kurs regt sich intern Widerstand. Die zuständige Bundesarbeitsgemeinschaft „Wirtschaft und Finanzen“ (BAG) wirbt dafür, das Thema prominent zu spielen. „Als Partei, die mittlerweile einen gesellschaftlichen und politischen Führungs- und Orientierungsanspruch formuliert, müssen wir Grüne das Thema der ökonomischen und gesellschaftlichen Ungleichheit stärker als bisher ins Zentrum unserer Politik rücken“, heißt es in einem Beschluss. Verteilungsgerechtigkeit müsse als „zentrales grünes politisches Ziel“ wahrgenommen werden.

BAGs sind innerparteiliche Thinktanks. Hier diskutieren ExpertInnen und Basismitglieder unterschiedliche Themen und liefern dem Vorstand zu. Die BAG schlägt eine einmalige Vermögensabgabe zur Finanzierung der immensen Corona­kosten vor. Außerdem will sie eine Bodenwertsteuer und eine Reform der Erbschaftsteuer „mit dem Ziel einer klaren, effektiven und fairen Besteuerung“.

Damit ärmere BürgerInnen mit niedrigen Gehältern überhaupt Vermögen aufbauen können, fordert die grüne BAG einen jährlich in Höhe der Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern gespeisten BürgerInnenfonds. Aus diesem Fonds könnte zum Beispiel an jeden Bürger ein „Startgeld“ ausgezahlt werden, so der Beschluss. Ein Startgeld fordert etwa der französische Ökonom Thomas Piketty. Auf welchen Kurs sich die Grünen verständigen, ist noch nicht geklärt.

Die Konkurrenz links der Mitte tritt mit klaren Konzepten an. Die SPD fordert eine Vermögensteuer ab einem Nettovermögen von 2 Millionen Euro. Der Satz soll ein Prozent betragen und für sogenannte Superreiche auf 1,5 Prozent und 2 Prozent steigen. Es sollen hohe Freibeträge gelten: 2 Millionen Euro für Alleinstehende, 4 Millionen für Verheiratete. Ein Ehepaar mit einem Nettovermögen von 4,1 Millionen Euro müsste also 1.000 Euro pro Jahr zahlen.

Die Linkspartei hat engagiertere Pläne. Sie wirbt für eine Vermögensteuer, die Vermögen ohne Schulden ab 1 Million Euro mit 5 Prozent belasten würde. Für Unternehmen und betriebsnotwendiges Vermögen gäbe es einen Freibetrag von mindestens fünf Millionen Euro. Dadurch, wirbt die Linke, würden rund 100 Milliarden Euro pro Jahr für Investitionen zur Verfügung stehen.