die gesellschaftskritik
: Von den Fehlern der Anderen

In einer langen Erklärung hat der Linksparteiabgeordnete Fabio De Masi mitgeteilt, nicht mehr für den Bundestag zu kandidieren

Die Lobpreisungen sind überschwänglich. Dass die Rückzugs­ankündigung eines Bundestagsabgeordneten der Linkspartei nicht nur in den eigenen Reihen, sondern quer durch die politische Landschaft ein derartig großes Bedauern auslöst, ist schon sehr ungewöhnlich. Doch dem Hamburger Fabio De Masi zollen Po­li­ti­ke­r:in­nen der Grünen, der FDP und der CDU gleichermaßen ihre Anerkennung. Unter den Mitfühlenden finden sich die beiden SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans ebenso wie der neoliberale Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt. „Schade, dass @dieLinke jene verliert, die Reiche nicht erschiessen wollen“, bekundete er auf Twitter seine Anteilnahme. Nun ja.

Unzweifelhaft verliert die Linkspartei eines ihrer größten politischen Talente. Mit Sachverstand, Ausdauer und pointierter Rhetorik hat sich De Masi erst im Europaparlament, dann im Bundestag als Aufklärer von Wirtschafts- und Finanzskandalen einen Namen gemacht. Zu Recht erinnert er in seinem am Mittwoch veröffentlichen Abschiedsschreiben an die LuxLeaks, die Panama Papers, den Cum-Ex-Steuerraub, den Wirecard-Skandal und einiges mehr.

Das ist allerdings nur die eine Seite De Masis. Die andere ist sein parteiinternes Agieren fest an der Seite Sahra Wagenknechts, deren Angestellter er vor seiner Abgeordnetenzeit war. Prätorianerhaft verteidigte er stets jegliche ihrer Verirrungen, selbst wenn sie längst von einem Linken nicht mehr zu verteidigen gewesen waren. Und selbstverständlich beteiligte er sich auch an ihrer absurden „Sammlungsbewegung Aufstehen“. Davon taucht in seinem langen Schreiben nichts auf.

„Auch die beste Finanzpolitik bringt uns nicht weiter, wenn ich zwar Respekt für meine Arbeit bekomme, aber die Partei aufgrund strategischer Fehler und Erscheinungsbild schwächelt“, schreibt De Masi. Seinen eigenen Beitrag am Zustand der Linkspartei unterschlägt er. Selbstkritik gehört nicht zu seinen Stärken. Lieber zeichnet der 40-Jährige weiter an dem Zerrbild, andere in seiner Partei würden sich nicht mehr um die „einfachen Leute“ kümmern, sondern nur noch „woke“ Aka­de­mi­ke­r:in­nen ansprechen. Das zeigt, wie sehr De Masi selbst bis heute in jenen „eingeübten Ritualen und Machtkämpfen“ verfangen ist, die er in seiner kurz vor dem Bundesparteitag perfekt platzierten Erklärung wortreich kritisiert. Pascal Beucker