Vom Ministerium zu Facebook: Endlich Lobbyismus für alle!
Deutschland lahmt bei der Digitalisierung. Mit dem Wechsel von Dorothee Bärs Büroleiterin zu Facebook geht es nun voran mit dem Einfluss der Netzgiganten.
Traumpaar der Eigenvorsorge: Julia Reuss mit Partner Andreas Scheuer Foto: dpa
Eine Büroleiterin der Staatsministerin für Digitalisierung wird Facebook-Lobbyistin. Es ist für Julia Reuss nicht der erste Gang durch die Drehtür zwischen Politik und Wirtschaft. Bevor sie vor zwei Jahren bei Dorothee Bär einzog, tauschte sie 2013 die Position der persönlichen Referentin des Bundesverkehrsministers gegen ein Engagement bei der Deutschen Bahn.
Reuss’ Karriereweg verläuft dabei recht zielstrebig an einer ethischen Grauzone entlang. Während für ihre Chefs Karenzzeiten für den Seitenwechsel im eigenen Fach gelten, sind die nachrangig bestellten Hilfskräfte deutlich freier in der Wahl ihrer Arbeitgeber*innen.
Ein leichtes Aroma von Korruption liegt in der Luft, denn man darf wohl annehmen, dass auch ohne unmittelbar politische Verantwortung getragen zu haben, die aus der zweiten und dritten Reihe aufgebauten Netzwerke Teil der Verhandlungsmasse bei der beruflichen Neuorientierung sind.
Dabei schneidet Deutschland im internationalen Vergleich noch ganz gut ab. Die regelmäßige Platzierung unter den Top 10 im Korruptionsindex von Transparency International weist auf eine konsolidierte Situation hin. Der Geldschein, diskret beim Händedruck überreicht, ist passé. Die Bürokratie kennt ihren Job und wird gut genug bezahlt, um plumpere Bestechungsversuche lächelnd abwehren zu können.
Überfällige Normalität
Für eine nachhaltige Interessenvertretung auf Bundesebene gar braucht es noch viel mehr: Tradition, Verbindungen und eine extrem gut gefüllte Kriegskasse. Diese Einflusssphäre, wo sich das Personalkarussell so lange vornehmlich zwischen Ministerien und Großindustrie (Autobauer, Kohle, Stahl) drehte, ist nun auch in greifbare Nähe für die Netzplattformen gerückt. Die künftige Facebook-Lobbyistin Reuss ist die Bannerträgerin, die uns aus dem digitalen Neuland in eine längst überfällige Normalität führt. Dafür gebührt ihr Anerkennung und Dank.
Bleibt noch die Randnotiz, dass Reuss mit dem Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur liiert ist. Der mögliche Interessenkonflikt am Küchentisch aber sollte zügig erledigt sein. Schließlich wartet auf Andreas Scheuer, nicht zuletzt wegen seiner vielen Lobbyskandale und schon legendären Inkompetenz, doch der baldige Ruhestand. Oder etwa nicht?
Vom Ministerium zu Facebook: Endlich Lobbyismus für alle!
Deutschland lahmt bei der Digitalisierung. Mit dem Wechsel von Dorothee Bärs Büroleiterin zu Facebook geht es nun voran mit dem Einfluss der Netzgiganten.
Traumpaar der Eigenvorsorge: Julia Reuss mit Partner Andreas Scheuer Foto: dpa
Eine Büroleiterin der Staatsministerin für Digitalisierung wird Facebook-Lobbyistin. Es ist für Julia Reuss nicht der erste Gang durch die Drehtür zwischen Politik und Wirtschaft. Bevor sie vor zwei Jahren bei Dorothee Bär einzog, tauschte sie 2013 die Position der persönlichen Referentin des Bundesverkehrsministers gegen ein Engagement bei der Deutschen Bahn.
Reuss’ Karriereweg verläuft dabei recht zielstrebig an einer ethischen Grauzone entlang. Während für ihre Chefs Karenzzeiten für den Seitenwechsel im eigenen Fach gelten, sind die nachrangig bestellten Hilfskräfte deutlich freier in der Wahl ihrer Arbeitgeber*innen.
Ein leichtes Aroma von Korruption liegt in der Luft, denn man darf wohl annehmen, dass auch ohne unmittelbar politische Verantwortung getragen zu haben, die aus der zweiten und dritten Reihe aufgebauten Netzwerke Teil der Verhandlungsmasse bei der beruflichen Neuorientierung sind.
Dabei schneidet Deutschland im internationalen Vergleich noch ganz gut ab. Die regelmäßige Platzierung unter den Top 10 im Korruptionsindex von Transparency International weist auf eine konsolidierte Situation hin. Der Geldschein, diskret beim Händedruck überreicht, ist passé. Die Bürokratie kennt ihren Job und wird gut genug bezahlt, um plumpere Bestechungsversuche lächelnd abwehren zu können.
Überfällige Normalität
Für eine nachhaltige Interessenvertretung auf Bundesebene gar braucht es noch viel mehr: Tradition, Verbindungen und eine extrem gut gefüllte Kriegskasse. Diese Einflusssphäre, wo sich das Personalkarussell so lange vornehmlich zwischen Ministerien und Großindustrie (Autobauer, Kohle, Stahl) drehte, ist nun auch in greifbare Nähe für die Netzplattformen gerückt. Die künftige Facebook-Lobbyistin Reuss ist die Bannerträgerin, die uns aus dem digitalen Neuland in eine längst überfällige Normalität führt. Dafür gebührt ihr Anerkennung und Dank.
Bleibt noch die Randnotiz, dass Reuss mit dem Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur liiert ist. Der mögliche Interessenkonflikt am Küchentisch aber sollte zügig erledigt sein. Schließlich wartet auf Andreas Scheuer, nicht zuletzt wegen seiner vielen Lobbyskandale und schon legendären Inkompetenz, doch der baldige Ruhestand. Oder etwa nicht?
Fehler auf taz.de entdeckt?
Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!
Inhaltliches Feedback?
Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.
Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.
Schwerpunkt Facebook
Kommentar von
Daniél Kretschmar
Autor
Jahrgang 1976, Redakteur für die tageszeitung 2006-2020, unter anderem im Berlinteil, dem Onlineressort und bei taz zwei. Newsletter unter: https://buttondown.email/abgelegt
Themen