heute in bremen: „Das Standesamt unterstellt uns, wir wären verheiratet“
Sally Margrate ist ein erfundener Name. Sie ist Mutter eines Kindes ohne Geburtsurkunde und Teil der Gruppe „Together we are Bremen“.
Interview Marie Gogoll
taz: Frau Margrate, wieso demonstrieren Sie vor dem Sitz des Innensenators?
Sally Margrate: Wir fordern Geburtsurkunden für unsere Kinder. Die Väter haben ihre Vaterschaft offiziell anerkannt, wir haben alle Bedingungen für eine Geburtsurkunde erfüllt. Trotzdem gibt es viele Kinder, die immer noch keine Geburtsurkunde haben, dabei sind manche schon über ein Jahr alt.
Warum stellt das Standesamt die Geburtsurkunden nicht aus?
Das Standesamt unterstellt uns Frauen, wir wären verheiratet. Dann wäre der Ehemann automatisch der rechtliche Vater unserer Kinder. Obwohl die richtigen Väter die Vaterschaft ja schon längst bestätigt haben, glauben die Behörden uns nicht. Sie fordern von uns Beweise dafür, dass wir nicht verheiratet sind.
Was für Beweise sollen das sein?
Sie akzeptieren die Beweise nicht. Weil ich früher verheiratet war, sollte ich dem Standesamt zum Beispiel meine Scheidungspapiere vorlegen. Das habe ich gemacht, die wurden aber nicht anerkannt. Als Beweis sollte ich stattdessen meine alte Heiratsurkunde mitbringen. In welchem souveränen Staat bekommst du deine ungültige Heiratsurkunde, nachdem dir gerade die Scheidungspapiere ausgestellt wurden? So funktioniert das doch nicht. Das ist eine Beleidigung gegen uns und unsere Herkunftsstaaten.
Warum unterstellt das Standesamt, Sie wären verheiratet?
Wir sind uns sicher, dass Diskriminierung der Grund ist. Wir haben die Kinder hier zur Welt gebracht, der Vater hat die Vaterschaft anerkannt, aber die Behörden verweigern die Anerkennung. Wir geben ihnen alle Dokumente, die sie wollen, und sie verweigern die Anerkennung. Manche der Mütter waren zuvor sogar niemals verheiratet und sie haben jeden Beweis dafür vorgelegt, was übrigens auch eine Menge Geld kostet. Dass all das infrage gestellt wird, lässt sich auf Diskriminierung zurückführen.
Kundgebung vorm Innensenator, Conterscarpe 22-24, 11.30 Uhr
Hat es Konsequenzen, wenn die Geburtsurkunden fehlen?
Ja. Eines der größten Probleme ist, dass die Frauen dadurch keinen Aufenthaltstitel bekommen. Das heißt: Die Mütter dürfen nicht arbeiten und könnten abgeschoben werden. Viele Mütter haben sogar schon Briefe bekommen, die sie auffordern, das Land zu verlassen. Außerdem braucht man eine Geburtsurkunde, um das Kind bei der Krankenkasse zu melden. Viele Kinder sind deshalb nicht krankenversichert. Das Standesamt denkt, wir hätten nur Interesse an finanzieller Unterstützung durch den Staat, wie Kindergeld. Aber das stimmt nicht. Wir wollen keine Hilfe, wir wollen einfach die Geburtsurkunden für unsere Kinder.
Das Verwaltungsgericht hat auf Klagen aus Ihrer Gruppe geurteilt, dass für einen Aufenthaltstitel der Mutter auch die Vaterschaftsanerkennung genügen würde. Die Geburtsurkunde wäre also nicht nötig, um die Aufenthaltserlaubnis für die Mutter zu erteilen. Hat das Urteil etwas am Vorgehen des Migrationsamts geändert?
Nein. Deshalb richtet sich unser Protest nicht nur gegen das Standesamt, sondern auch gegen das Migrationsamt. Obwohl wir die Vaterschaftsanerkennungen haben, haben wir noch immer keine Aufenthaltstitel. Wir können nicht verstehen, was hier vor sich geht. Deshalb gehen wir mit unseren Forderungen vor das Büro des Innensenators, trotz Corona und trotz Schnee.
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