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Gibraltar rückt an Spanien heran

Ausgerechnet der Brexit lässt einen Grenzzaun fallen. Die Halbinsel Gibraltar, zu Großbritannien gehörend und von Spanien beansprucht, wird dem Schengenraum zugeschlagen, zunächst für vier Jahre

Aus Madrid Reiner Wandler

Einer der letzten Grenzzäune Europas fällt ausgerechnet dank des Brexits. Spanien und Großbritannien einigten sich an Silvester wenige Stunden vor Ablauf der Frist auf eine neue Grenzregelung zwischen dem britischen Gibraltar und Spanien.

Die 34.000 Einwohner der 6,5 Quadratkilometer großen Landzunge am südlichen Ende der Iberischen Halbinsel, die seit über 300 Jahren zu Großbritannien gehört, werden künftig „maximale Bewegungsfreiheit“ genießen. Personen und Waren können ohne Kontrolle die Grenze passieren, wie dies im Großteil der Europäischen Union die Regel ist. Gibraltar wird damit – ohne zum vereinigten Europa zu gehören – EU-Außengrenze. In den nächsten sechs Monaten werden die Details ausgearbeitet. Das neue Grenzregime, das Gibraltar über Spanien an den Schengenraum anschließt, wird erst einmal für vier Jahre gültig sein.

Die Regelung wurde notwendig, weil das Brexit-Abkommen zwischen Brüssel und London für Gibraltar nicht gilt. Spanien, das Anspruch auf Gibraltar erhebt, konnte im Vorfeld der Brexit-Verhandlungen durchsetzen, dass alles, was Gibraltar betrifft, direkt zwischen Madrid und London verhandelt werden muss. Unter höchstem Druck führten deshalb Ma­drid und London seit Wochen einen Dialog über eine Grenzregelung. Wäre er gescheitert, wäre die Grenze dicht gewesen. Das britische Überseegebiet wäre zum „Drittland“ geworden. Gibraltar saß nur als Teil der britischen Delegation mit am Tisch.

„Es ist der Beginn einer neuen Beziehung“, sagte Spaniens Außenministerin Arancha González Laya zufrieden. Der britische Premier Boris Johnson hieß die Einigung auf Twitter „von ganzem Herzen willkommen“. Und der Regierungschef von Gibraltar, „Chief Minister“ Fabian Picardo, hofft auf „ein gemeinsames Gebiet des Wohlstandes“.

Spanien versucht seit Langem, mehr Mitspracherecht über Gibraltar zu erhalten

Das natürliche Hinterland von Gibraltar ist Südspanien. Von dort kommen ein Großteil der Güter und 15.000 Pendler, die auf dem „Affenfelsen“ – wie die Landzunge mit ihrer Klippe im Volksmund heißt – arbeiten. „Es war ein schwieriger Prozess“, sagte Picardo. Die beiden Delegationen hätten gegen „die Flut der Geschichte“ angekämpft. Gibraltar gehört seit dem Ende des Erbfolgekrieges 1704 zum Vereinigten Königreich. 1713 wurde das Gebiet im Vertrag von ­Utrecht ganz offiziell abgetreten. Dieser Vertrag hält die Möglichkeit einer Rückkehr zu Spanien offen, sollte sich Großbritannien aus Gibraltar zurückziehen. Dies ist zwar eine rein hypothetische Möglichkeit, dennoch erkennt Spanien die Existenz Gibraltars als eigenes souveränes Gebilde nicht an. Der Grenzzaun, der jetzt fällt, war 1969 bis 1985 völlig geschlossen. Gibraltar war damals nur auf dem Seeweg zu erreichen.

Spanien versucht seit Langem, mehr Mitspracherecht über Gibraltar zu erhalten. Das Grenzabkommen ist in diesem Sinne ein Erfolg für ­Madrid. Denn Spanien ist künftig der „Garant“ dafür, dass Gibraltar zum Schengenraum gehört. Zwar werden keine spanischen Beamten an den Kontrollen am Hafen und auf dem Flughafen in Gibraltar beteiligt sein, wie dies Madrid zuerst verlangt hatte. Doch werden die Angehörigen der europäischen Grenzagentur Frontex, die Gibraltar als neue Außengrenze der EU kontrollieren werden, Madrid Bericht ­erstatten.

Spanien ist damit erstmals seit der Abtretung Gibraltars im 18. Jahrhundert an der Souveränität über Gibraltar beteiligt. Dies dürfte auch dem britischen Premier bewusst sein. Dennoch schreibt er auf Twitter: „Das Vereinigte Königreich wird sich weiterhin voll und ganz für den Schutz der Interessen von Gibraltar und seiner britischen Souveränität einsetzen.“

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