kinotipp der woche
: Präzise Spurensicherung

Das Arsenal zeigt online eine Werkschau von Philip Scheffner, einem der wichtigsten Dokumentarfilmer der Gegenwart

Kriegsgefangene in „The Halfmoon Files“ (2007) Foto: Arsenal

Eine Stimme erklingt umgeben vom Knistern und Knacken einer Schellackplatte: „Es war einmal ein Mann. Er ging in die britische Armee. Der Mann zog in den europäischen Krieg. Deutschland nahm diesen Mann gefangen. Er wünscht, nach Indien zurückzukehren.“ Im Dezember 1916 spricht der Inder Mall Singh, geboren im Panschab im Norden Indiens, diese Worte im Kriegsgefangenenlager im brandenburgischen Wünsdorf in den Trichter einer Tonaufzeichnung. Der Dokumentarfilm „The Halfmoon Files“ von Philip Scheffner begibt sich ausgehend von Tonaufnahmen wie jener von Mall Singh auf Spurensuche.

Sein Essayfilm ist Ausgangspunkt einer Scheffner Werkschau, die das Kino Arsenal nun in seinem Strea­ming­an­gebot unter Arsenal 3 präsentiert. Gerade einmal vier Langfilme umfasst sein Werk bislang, doch mit diesen vier Filmen hat er sich in den letzten 20 Jahren als einer der wichtigsten deutschen Dokumentarfilmer der Gegenwart etabliert. In jedem der Filme hat sich Scheffner transnationaler Geschichten angenommen. Die persönlichen Geschichten sind in den seinen Filmen aber Ausgangspunkt für einem Blick auf Themen der Gegenwart, die etwas unterhalb der Oberfläche liegen.

In „Revision“ von 2012 greift er den Tod zweier rumänischer Staatsbürger nahe der deutsch-polnischen Grenze auf. Der Film kombiniert penible Recherche, Zeugenaussagen und Landschaftsaufnahmen. Letztere nutzt Scheffner einerseits als Reflexionsraum, in der Montage werden deutsche Landschaften andererseits aber auch als Schauplätze gewalttätigen Zugriffs sichtbar. Fabian Tietke

Die Werkschau läuft vom 1. bis 31. Januar, www.arsenal-3-berlin.de (für 11 € im Monat)