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Auge um Auge, Diplomat um Diplomat

Russland geht zum Gegenangriff über – und lässt neun Personen aus EU-Ländern künftig nicht mehr einreisen. Über den Fall Nawalny schweigt man sich im Kreml wieder mal aus

Von Barbara Oertel

Die Retourkutsche des Kreml kam nicht überraschend und sie folgte erneut dem Motto: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Als Reaktion auf EU-Sanktionen im Zusammenhang mit dem Giftanschlag auf den russischen Oppositionellen Alexei Nawalny verhängte Moskau am Dienstag Einreiseverbote für Vertreter Deutschlands und anderer EU-Staaten. Das russische Außenministerium erklärte, die Gegensank­tio­nen seien eine Reaktion auf „konfrontative“ EU-Maßnahmen. Es sei beschlossen worden, „die Liste von Vertretern von EU-Mitgliedstaaten zu verlängern, denen die Einreise in die Russische Föderation untersagt wird“. Aus dem Auswärtigen Amt in Berlin hieß es, die Maßnahmen seien aus Sicht der Bundesregierung „ungerechtfertigt“. „Russland sei weiter aufgefordert, den Einsatz eines chemischen Kampfstoffs auf russischem Territorium gegen einen russischen Bürger aufzuklären.

Laut Angaben des Onlineportals kommersant.ru handelt es sich dabei um neun Personen – davon Vertreter des Bundeskanzleramts, des Kabinetts des französischen Präsidenten sowie Vertreter des deutschen und französischen Verteidigungsministeriums und die Leitung von Labors, in denen Proben von Nawalny untersucht worden waren.

Zuvor hatte das Moskauer Außenministerium die Geschäftsträgerin der Deutschen Botschaft und Vertreter der Botschaften Frankreichs und Schwedens einbestellt, um über die Sanktionen zu informieren. Institute in diesen drei Ländern hatten erklärt, nach dem Anschlag auf Nawalny im August seien bei ihm Spuren einer Vergiftung mit einem chemischen Nervenkampfstoff aus der Nowitschok-Gruppe festgestellt worden. Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) hatte den Befund bestätigt.

Im Oktober hatte die EU Sanktionen gegen sechs russische Funktionäre verhängt, weil nach ihrer Einschätzung der Anschlag auf Nawalny nicht ohne Wissen und Genehmigung staatlicher russischer Stellen hätte stattfinden können. Die Sanktionen betreffen unter anderem den Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB, Alexander Bortnikow, und den Vizechef der Präsidialverwaltung, Sergei Kirijenko.

Doch der Kreml fühlt sich ungerecht behandelt und bestreitet nach wie vor, etwas mit dem Anschlag zu tun zu haben. Den Mitschnitt eines Telefonats zwischen Nawalny und einem FSB-Mitarbeiter, bei dem dieser seine Beteiligung an der Vertuschung des Giftanschlags einräumt, parierte Kreml-Pressesprecher Peskow in gewohnter Manier. „Wir haben keine Zeit, um uns solche Materialien anzusehen, und ohnehin schon Arbeit genug“, sagte er laut Nachrichtenportal Insider.ru.

Bei seinem vorgezogenen Jahresempfang für Journalisten am Dienstag in Moskau überging Außenminister Sergei Lawrow die Causa Nawalny mit Schweigen. Stattdessen lobte er die Arbeit der russischen Regierung in Coronazeiten, die sich besonders Medienvertretern gegenüber offen und hilfsbereit gezeigt habe. Fragen von Journalisten waren nicht zugelassen.

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