Debatte über Demonstrations-Verbot: Bremen weist den Weg

Wird die „Querdenker“-Großdemo an Silvester in Berlin untersagt? Darüber diskutiert der Innenausschuss vor dem Hintergrund des Verbots in Bremen.

Demonstrantin mit Aufschrift "Diktatur" auf Gesichtsmaske

Für die „Querdenker“ klare Sache: Sie sehen sich als Opfer einer Diktatur Foto: dpa

BERLIN taz | Der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses wird sich an diesem Montag mit der für Silvester angemeldeten Großdemonstration der Initiative „Querdenken“ befassen. Durch die Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das Verbot einer Großdemo in Bremen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen zu bestätigen, ergibt sich nach Einschätzung von PolitikerInnen der rot-rot-grünen Koalition eine neue Situation.

Die „Advents Mega Demonstration“ der „Querdenker“ war vom Bremer Ordnungsamt auf Basis des novellierten Infektionsschutzgesetzes untersagt worden. Sowohl die Verwaltungsgerichtsbarkeit als auch letztinstanzlich das Bundesverfassungsgericht hatten dies für zulässig befunden.

In Berlin will die bekannte Mischung aus Corona-Skeptikern und -Leugnern, die auch von „Reichsbürgern“ und anderen rechtsextremen Gruppierungen durchsetzt ist, 22.000 Menschen zur Demonstration auf der Straße des 17. Juni mobilisieren. Ihnen kommt dabei zugute, dass die diesjährige Silvesterparty aus Gründen des Infektionsschutzes abgesagt und so der Straßenraum frei wurde.

Angemeldet sind Kundgebungen zwischen 15 Uhr und Mitternacht, die Berliner Polizei ist dem Vernehmen nach beunruhigt. Zuletzt war es bei der „Querdenker“-Großdemo am 18. November zu teils heftigen Auseinandersetzungen gekommen, unter anderem wurden Wasserwerfer am Brandenburger Tor eingesetzt.

Kein übermäßiger Eingriff in Grundrechte?

Nach taz-Informationen tendiert die Versammlungsbehörde der Polizei zu einer Untersagung der Silvester-Demonstration. Dafür munitioniert sie sich offenbar auch mit der Versammlungsstatistik. Dieser zufolge hatten die allermeisten Versammlungen der letzten Monate und Jahre weniger als 100 TeilnehmerInnen.

Weiterhin geht daraus hervor, dass die Zahl der angemeldeten Versammlungen immer in den Monaten November bis Februar am geringsten ist. Das könnte auch als Argument dafür genutzt werden, dass eine zahlenmäßige Beschränkung, etwa auf 100 Teilnehmende, kein übermäßiger Eingriff in die vom Grundgesetz garantierte Versammlungsfreiheit sei.

In der rot-rot-grünen Koalition sind die Haltungen zu einem potenziellen Demoverbot für die „Querdenker“ uneinheitlich, insbesondere die Linke hält die Versammlungsfreiheit auch in diesem Fall für zu gewichtig. Für die Grünen sagte deren innenpolitischer Sprecher Benedikt Lux der taz, seine Fraktion fordere Polizei und Innenverwaltung auf, „strenge Auflagen bis hin zu einem Verbot“ zu prüfen. „Das Bundesverfassungsgericht hat die rechtliche Grundlage dafür geliefert“, so Lux.

Auch ein Verbot kann allerdings nicht verhindern, dass am Ende doch demonstriert wird: So geschehen am Samstag in Bremen, wo die Polizei 700 Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten und 70 Strafanzeigen unter anderem wegen Landfriedensbruch stellte sowie mehr als 900 Platzverweise erteilen musste.

„Derweil legte Innensenator Andreas Geisel (SPD) die Möglichkeit einer geheimdienstlichen Überwachung der Coronaleugner-Szene nahe. Der dpa sagte Geisel: „Wir beobachten ganz klar extremistische und antisemitische Tendenzen. Deswegen muss auch der Verfassungsschutz sehr genau hinsehen.“

Ähnliche Töne schlug die Spitzenkandidatin seiner Partei für die Abgeordnetenhauswahl, Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, an. Den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte sie: „Bei Gruppen, die sich verfassungsfeindlich äußern oder einen Angriff auf die Demokratie planen, muss sich der Verfassungsschutz einschalten.“ Das heiße nicht, dass alle, die bei solchen Demonstrationen mitliefen, Verfassungsfeinde seien.

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