Aus für Werkverträge in Schlachthöfen

Nach Corona-Ausbrüchen und jahrelangen Diskussionen über schlechte Arbeitsbedingungen: Koalition will Ausbeutung in der Branche eindämmen

Hier soll es bald fairer für die MitarbeiterInnen zugehen: Schlachthof in Niedersachsen Foto: Ingo Wagner/dpa

Von Stefan Reinecke

Wenn Tönnies künftig Leiharbeiter beschäftigen will, so ist das noch möglich – aber streng reguliert. Deutschlands größter Fleischkonzern kann ab 2021 maximal 100 Leiharbeiter beschäftigen. Sie dürfen nicht mehr als 8 Prozent der Stammbelegschaft ausmachen, müssen genau so bezahlt werden wie Festangestellte und dürfen nur vier Monate lang bei Tönnies jobben. Und sie dürfen nicht als Schlachter oder bei der Zerlegung der Tiere arbeiten, sondern nur in der weiteren Verarbeitung. Das alles auch nur, wenn Tönnies Tarifverträge hat.

SPD-Fraktionsvize Katja Mast hält diese Einhegung der Branche für „einen Durchbruch“. Nach monatelangen Verhandlungen haben sich SPD und Union am Freitag auf Einschränkungen für die Fleischindustrie geeinigt. SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil hatte nach Corona-Ausbrüchen in Schlachthöfen und jahrelangen Diskussio­nen über schlechte Arbeitsbedingungen in der Branche ein Gesetz vorgelegt, um Leiharbeit und Werkverträge zu verbieten. Doch die Union blockierte zunächst. Für sie griff die Regelung zu tief in den Markt ein. Ein Argument: In der Grillsaison brauche die Branche Flexibilität – und daher Leiharbeit. Diese ist in der Fleischindustrie, einer Branche mit 45 Milliarden Euro Umsatz im Jahr, keineswegs die Ausnahme.

„Die Ausbeutung ist zum Geschäftsmodell geworden“, so Heil am Freitag. Das undurchsichtige System von Sub- und Sub-Subunternehmern werde künftig verboten, Werkverträge sollen ganz wegfallen. Zudem soll es laut Heil mehr verbindliche Betriebsprüfungen geben. Die Kon­trollen seien extrem wichtig, betonte auch Unions-Fraktionsvize Hermann Gröhe (CDU). Die Höchststrafe für Unternehmer, die ihre oft nicht deutschsprachigen Arbeiter per Arbeitszeitbetrug übervorteilen, steigt von 15.000 auf 30.000 Euro. Außerdem soll es eine digitale, manipulationssichere Arbeitszeiterfassung geben. Zudem gelten künftig für Sammelunterkünfte von Saisonarbeitern hygienische Mindeststandards. „Die Fleischlobby, die das Gesetz verhindern wollte, hat sich zu früh gefreut“, sagte Mast. Die Tricksereien der Branche, so die Einschätzung der Gewerkschaft NGG, würden mit dem Gesetz weitgehend verhindert.

„Die Fleischlobby, die das Gesetz verhindern wollte, hat sich zu früh gefreut“

Katja Mast, SPD-Fraktionsvize

Die SPD will das Gesetz noch im Dezember im Bundestag verabschieden. Wenn der Bundesrat zustimmt, sind Werkverträge in der Fleischindustrie ab Januar verboten, Leiharbeit ist ab April stark eingeschränkt. In drei Jahren soll sie in der Branche komplett verboten sein. „Das Arbeitsschutzkontrollgesetz ist wasserdicht und sorgt für ordentliche Arbeitsverhältnisse“, sagte Heil. Ausgenommen werden von dem Gesetz Fleischerhandwerksbetriebe mit bis zu 49 Mitarbeitern.

Damit hat die Groko nach der Frauenquote in Konzernvorständen und dem Demokratieförderungsgesetz in kurzer Zeit ein drittes, lange strittiges Thema abgeräumt. Das Arbeitsschutzkontrollgesetz zur Blaupause für alle Branchen mit viel Leiharbeit zu machen ist aber offenbar nicht geplant.