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Die Region profitiert, nicht bloß finanziell

Wer sein Geld in Bürgeraktien investiert, fördert spannende Projekte, vom Acker- bis zum Wohnungsbau. Die Rechnung bezieht vieles mit ein, auch ökologische Faktoren werden bilanziert

Von Bernward Janzing

So richtig bekannt ist der Begriff noch nicht. Fragt man beim Deutschen Aktieninstitut in Frankfurt am Main nach der Definition einer Bürgeraktiengesellschaft, trifft man auf Ahnungslosigkeit: „Nie gehört“.

Aber der Begriff taucht inzwischen bei verschiedenen Unternehmen auf. Maßgeblich geprägt wurde er von Christian Hiß, einem südbadischen Gärtnermeister. Als Gründer der Regionalwert AG in Eichstetten bei Freiburg füllt er diesen Begriff seither mit Leben: Die Bürgeraktien sind einerseits natürlich wie jede andere Aktie eine Unternehmensbeteiligung – doch ihr Ziel ist eben nicht das profitmaximierende Geschäft rund um den Globus, sondern der Nutzen vor Ort. So ist das Ansinnen der Bürgeraktie ein wenig vergleichbar jenem der klassischen Genossenschaft – als ein Gegenentwurf zur Globalisierung.

Konkret bedeutet das im Fall der Regionalwert AG: Sie kämpft gegen das Höfesterben, indem sie sich mit ihrem Kapital an Betrieben beteiligt. So strebt das Unternehmen „in ländlichen Gebieten eine Steuerungsfunktion in der Regionalentwicklung“ an mit dem Ziel, eine „wirtschaftlich profitable Ernährungssouveränität der Bevölkerung in überschaubaren regionalen Wirtschaftsräumen“ zu schaffen. Dazu der Slogan: „Deine Region, Deine Verantwortung.“

Mit einer ersten AG im Raum Freiburg ging es im Jahr 2006 los, inzwischen gibt es ähnliche Gesellschaften zum Beispiel im Rheinland, im Münsterland und im Umland von Berlin. Auch in Nachbarländern gibt es schon Nachahmer.

Unter dem Dach der AG will Hiß die gesamte Wertschöpfungskette zusammenführen. Das heißt: Ein biologisch bewirtschafteter Hof beliefert den ökologischen Groß- und Einzelhandel und ebenso die ökologisch ausgerichtete Gastronomie. Im Raum Freiburg gibt es die betreffenden Betriebe allesamt schon im Netzwerk der Regionalwert AG. Die Bürger, die ihr Geld investiert haben – und natürlich nicht nur die – profitieren als Kunden von dem „regionalen Verbund vom Acker bis zum Teller“.

Eine Dividende im finanziellen Sinne hat es bisher bei der Regionalwert AG nie gegeben – und eine solche ist auch nicht absehbar. Aber für die Anleger ist die Existenz eines guten Lebensmittelladens in der Nachbarschaft ohnehin oft deutlich wertvoller als ein paar Euro Ausschüttung im Jahr.

Für die südbadischen Vordenker gehört unterdessen noch mehr zum Konzept, nämlich eine neue Form der Bilanzierung. Neben der klassischen Finanzrechnung bilanziert die Regionalwert AG auch ökologische Faktoren; man monetarisiert also ebenso externe Kosten und externen Nutzen und beendet auf diese Weise die abstruse Betrachtung des Naturkapitals als kostenlos gegebenes Gut.

Da taucht dann zum Beispiel eine Bodenverbesserung auf der Habenseite der Bilanz auf. Wird Nachhaltigkeit auf diese Weise saldiert, ist das ehrlicher und auch informativer als die oft von Belanglosigkeit strotzenden Nachhaltigkeitsberichte vieler Unternehmen auf Hochglanzpapier.

Die Dividende kann auch ein guter Lebensmittelladen nebenan sein

Weil die Regionalwert AG sozial-ökologische Wirtschaftsweisen zudem in die Welt hinaustragen will, veranstaltet sie auch Workshops zu diesem Thema für ihre Aktionäre. Man wolle „Mündigkeit schaffen“, heißt es. Und man wolle durch beispielhaftes Verhalten auf die Politik einwirken – damit diese dafür Sorge trägt, dass Umweltkosten künftig stärker internalisiert werden. Das heißt schließlich, dass sie beim Verursacher als monetäre Kosten tatsächlich auftauchen.

Aber wo liegt nun der Grund, für ein solches Konzept die Gesellschaftsform der AG zu wählen, wo doch Genossenschaften das Prinzip „Einer für alle und alle für einen“ von jeher erfolgreich praktizieren? Es ist aus Sicht der Regionalwert AG vor allem die Unkündbarkeit der Aktie. Wer seine Beteiligung verkaufen will, kann das individuell zwar tun, er muss aber einen Käufer finden. Für das Unternehmen bedeutet das: Das Geld bleibt gesichert im Unternehmen.

Auch andere Branchen nutzen inzwischen den Begriff der Bürgeraktie. Etwa in Tübingen die n.e.s.t. Bauprojektierung und Vermietung AG. Sie ist der Überzeugung, dass „ohne ethisches Handeln auch in der Wirtschaft die ganze Gesellschaft, letztlich die ganze Welt vor die Hunde geht“. Dabei stützt sie sich auf den einst an der Tübinger Uni lehrenden Theologen Hans Küng. Oder in Moers die Bürgeraktiengesellschaft Peschkenhaus, die das gleichnamige Kunst- und Kulturhaus erwarb und seither führt.

Vielleicht werden solche Projekte dann eines Tages auch das Deutsche Aktieninstitut erreichen – und dazu motivieren, mal einen Blick zu werfen auf die entstehende regionale Aktienkultur der engagierten Bürgerschaft.

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