: Bleibt lieber schön zu Hause!
Politik? Auf keinen Fall! Frauen sollen lieber eine Familie gründen. Minsker Tagebuch vom 23. 9. 20
In Belarus gehen die friedlichen Protestaktionen gegen die Staatsmacht weiter. Am vergangenen Samstag wurden 430 Demonstranten festgenommen, am Sonntag 442. Dann schrieb die Pressesprecherin des Innenministeriums, dass sie sich für die jungen Frauen schäme, die an diesen Aktionen teilnähmen:
„Es ist beschämend, diesen Aktivist*innen zuzusehen, die in Ekstase so unter ihresgleichen kreischen. Man möchte ihnen sagen: Nutzt eure Kraft für die Familie. Wenn es keine Familie gibt, dann gründet eine.“ Den Belaruss*innen ist es peinlich, dass Menschen an der Macht sind, die sich sexistisch äußern.
„Irgendwie schäme ich mich, Menschen für ihren niedrigen IQ zu verurteilen“, sagt Oksana Borwatsch, eine Journalistin. „Da bleibt trotz allem ein wenig Mitgefühl.“ „Das ist bezeichnend“, sagt der IT-Spezialist Wladimir Kelbas. „In einem normalen Staat würde sich keine Behörde so etwas erlauben. Eine solche Grobheit ist charakteristisch für eine Bananenrepublik.“
„Das ist eine Flegelhaftigkeit“, sagt die Journalistin Darja Lis. „Und der Widerwille, an den morgigen Tag zu denken. Eine Person des Staatsapparats versteht nicht, was Reputation ist, und überspannt den Bogen weiter.“ „Entweder ist das eine Demonstration der Ohnmacht oder ein Anzeichen für ein niedriges kulturellen Niveau“, sagt die Managerin Weronika Gil. „Das wirkt wie eine Folge von Stress und die Unfähigkeit, diesen zu kontrollieren.“
„Es ist eine Schande, einer Mutter zuzusehen, die lügt, sich windet, Folter, Vergewaltigungen und eine totale Gesetzlosigkeit verteidigt. Und das auch noch mit dem Geld von Leuten, die dieser Gewalt ausgesetzt sind“, empört sich der Regisseur Roman Romanow. „Da sage ich: Nehmt alle eure Kräfte zusammen, um euch neue Qualifikationen anzueignen und mit der langjährigen Selbstisolation fertig zu werden, wenn sich alles geändert haben wird.“
Die Behörde weist darauf hin, dass die Bürger*innen Warnungen ignorieren und an nicht genehmigten Aktionen teilnehmen. „Erwachsene ziehen da auch Kinder mit hinein.“ In Belarus sind Proteste nur zur Unterstützung von Lukaschenko erlaubt. Olga Deksnis
Aus dem Russischen: Barbara Oertel
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